Bericht über die Deutschen Meisterschaften im Sportklettern

Im
Rahmen der Pre-Events für die World Games 2005 fand am vergangenen
Sonntag in der ehemaligen Gießhalle des Thyssen-Stahlwerkes im
Landschaftspark Duisburg-Nord die Deutsche Meisterschaft 2004 im
Sportklettern statt.

Bei lausigen Temperaturen fanden sich über 700 Zuschauer ein (die
vorbereiteten Eintrittskarten reichten nicht aus!), um die
Größen der deutschen Kletterszene einmal live zu erleben.
Viele waren zwar Kletterer aus der Region, also durchaus fachkundig,
aber sicherlich das erste Mal bei einem Kletterwettkampf dabei. Trotz
der hohen Luftfeuchtigkeit in der Halle und der kalten Temperaturen,
was sicherlich dazu führte, dass an diesem Tag keine Route getoppt
werden konnte, staunten die Zuschauer nicht schlecht ob der Leistungen,
die ihnen da geboten wurden.

Am Ende der After-Work-Route lagen fast alle Favoriten noch ganz vorn:
Bei den Damen holte sich, in der von Torsten Neuhaus geschraubten und
mit 8 a+ bewerteten Route, Damaris Knorr mit einem hauchdünnen
Vorsprung die Führung vor Marietta Uhden. Alle Damen waren hier –
hatten sie erst einmal die etwas knifflige Einstiegsstelle hinter sich
gelassen – zügig hochgestiegen. Erst nach einer, durch die vielen
Verschneidungen in der Wettkampfwand bedingten Schüttelstelle,
kamen die Hürden, die dann für die meisten zum Aus
führten, so auch für Nadine Ruh die am Ende nur auf Platz 7
lag. Eine kleine Diskussion am Rande führte anfangs zu einiger
Unruhe: Ein Griff hatte nach dem Ausbouldern der Route am Vortag ( =
Kennzeichen einer After-Work-Route ) nachträglich ausgetauscht
werden müssen, da er gebrochen war, ein Zweiter war ob der
feuchtkalten Bedingungen zu Gunsten der Damen gedreht worden.

Die After-Work-Route der Herren, geschraubt von Stephan Hilgers und mit
8 b+ bewertet, gehörte zu den attraktivsten Routen an diesem Tag.
Abwechslungsreich in den technischen Anforderungen, bis hin zum
Kletterproblem der sich bewegenden Riesenkugel. Immerhin 5 der 15
gestarteten Herren schafften zur Freude der Zuschauer den Weg bis zum
Übergang aus der Wand an die große Kugel, die im obersten
Teil der Route hing. Nun waren vor allem Körperspannung und
Technik gefragt, um den Routenverlauf aus der Wand über die leicht
schwankende Kugel und wieder zurück in die Wand zu meistern. Am
souveränsten gelang dies unter den Jubelstürmen des Publikums
dem alten deutschen Meister Christian Bindhammer. Auf den letzten
Metern rutschte ihm dann allerdings, zu seinem großen Ärger,
vielleicht unter dem Druck der fast verstrichenen Zeit, der Fuß
weg, so dass ihm die Top-Begehung verwehrt blieb. Nur Markus Hoppe
konnte annähernd weit folgen. Mitfavorit Andreas Bindhammer lag
nach der After-Work-Route schon ein wenig abgeschlagen auf Rang 6,
während einer, den zuvor keiner auf der Rechnung hatte, sich
bereits ganz still und leise auf den 3. Platz vorgeklettert hatte:
Daniel Jung aus Siegen. D.h. so still und leise nun auch wieder nicht,
gelang es ihm doch, die Zuschauersympathien zu gewinnen, als er nach
etwa 2 Dritteln der Route aus einer Ruhe-Position heraus erst einmal
fröhlich ins Publikum winkte. Nerven hat der Mann!

Die 2. und entscheidende Route der Damen, die OnSight-Route, geschraubt
von Stephan Hilgers, Schwierigkeitsgrad 8 a, führte über die
ganze Wand zur Riesenkugel. Hier war neben technischem Können auch
Ausdauer gefragt, was nicht zuletzt auch die Zeit zeigt, die die Damen
für diese Route zur Verfügung bekamen: immerhin 11 Minuten!
Ein wenig kam nach dieser Route wieder einmal die schon so oft
geführte Diskussion um die Längenzugproblematik auf, war
Damaris Knorr doch für ihre Verhältnisse viel zu früh
aus der Wand gefallen. Aufmerksame und fachkundige Beobachter
führten dies allerdings auf einen  Fehler ihrerseits
zurück. Zu frontal hatte Damaris gestanden, um den nächsten
Zug schaffen zu können. So gelangten nur Nadine und Marietta in
den oberen Teil der Route. Hier zeigte sich einmal mehr die
Altmeisterin als wahre Meisterin, schaffte sie es doch, die Riesenkugel
zu bezwingen. Schön war für die Zuschauer zu beobachten, dass
auch so eine routinierte Kletterin nicht gleich die richtige Idee parat
hatte, wie sie von der Riesenkugel den Weg zurück an die Wand
finden konnte. Es bedurfte schon einiger Versuche. Wenn es dann auch
nicht mehr zur Top-Begehung reichte, so gewann Marietta doch
hochverdient und konnte somit ihren Jubiläumsmeistertitel
souverän nach Hause holen: zum 10. Mal Deutsche Meisterin, wer
will das je toppen? Herzlichen Glückwunsch, Marietta!

Ganz anders der Charakter der Herren OnSight-Route, die von Mike Schuh
geschraubt wurde, Schwierigkeit 8 b. Technisches Know-How war gefragt
und die Gabe, knifflige Einzelstellen mit den Augen eines Boulderers zu
analysieren und den richtigen “Griff für den Griff” auf Anhieb zu
finden. So ließen nahezu alle Herren gleich an der 1. schwierigen
Stelle viel Kraft. Den ein oder anderen mag das nervös gemacht
haben, ob der schwierigen Stellen, die vermeintlich noch kamen. Dass
auch die Schlüsselstelle kurz nach der Hälfte der Route zu
knacken war, zeigte gleich der 1. Starter dieser Route, der junge
Tobias Gartmann. Als einzigem gelang es ihm, mit einem platzierten
Foothook das aufgeschraubte Dreieckelement zu bezwingen. Damit bewies
er, dass  trotz der Kälte und der hohen Luftfeuchtigkeit ein
Weiterkommen in der Route möglich gewesen wäre. Schade, dass
niemand die Chance nutzen konnte! Es begann das große
“Favoritensterben”, ganz zum Leidwesen der Zuschauer, die sich
gewünscht hätten, dass einer diese Stelle hätte knacken
können und jeden lauthals verbal und applaudierend
unterstützten. Am Ende gewann derjenige, der unbeherzt, ohne zu
zögern mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein an
diesem Tag die Schwierigkeiten in beiden Routen in Angriff genommen
hatte: Daniel Jung aus Siegen. Zwar siegte er in keiner der Routen, lag
aber in Addition beider Routen ganz knapp vor Robert Heinrich und Andre
Borowka. Die aufsteigende Tendenz Daniels hatte sich angedeutet: Zum
einen hatte er sich in dieser Saison gegenüber dem Vorjahr
deutlich steigern können, zum anderen hatte er mit seinem 4. Platz
beim DSC in Heilbronn angedeutet, was in ihm steckt. Bleibt abzuwarten,
wie die Brüder Bindhammer oder Markus Hoppe, die ihrer
Favoritenrolle nicht gerecht werden konnten, in der neuen Saison 2005
kontern werden. Auf alle Fälle dir, Daniel, ein herzlicher
Glückwunsch!

Am Ende gab es dann kurz und knackig die Deutsche Speedmeisterschaft.
Paarweise wurde in 2 Routen gestartet mit jeweils unmittelbar folgendem
Wechsel. Ab dem Viertelfinale bei den Herren und dem Halbfinale bei den
Damen gab es dann das ko-System. Bei den Damen siegte am Ende die erst
16 Jährige Lisa Knoche aus Freising vor Julia Winter und Nadine
Ruh, ein Wettbewerb also, bei dem eindeutig die Jugend die Nase vorn
hatte. Überraschungssieger bei den Herren wurde Sebastian
“Krümel” Hartung vor dem hochfavorisierten Christian Benk und Aric
Merz, der nach längerer Abstinenz wieder einmal ins
Wettkampfgeschehen eingriff.

Ein Dankeschön an alle Organisatoren für einen Wettkampf, der nahezu reibungslos verlief.

Mein Respekt gilt an dieser Stelle aber noch einmal allen Athleten:
Während die Zuschauer dick vermummt mit Daunenjacke und Fliesdecke
um die Beine geschlungen dem Wettkampfgeschehen folgten, musstet ihr im
ärmellosen T-Shirt antreten und Höchstleistungen bringen!
Respekt!

Sicherlich bot das Ambiente der Gießhalle die ganz besondere Note
für dieses Kletterevent, bleibt aber dennoch zu hoffen, dass bei
den World Games 2005 an gleicher Stelle die Temperaturen ein wenig
höher liegen, so dass der Wohlfühlwert sowohl bei Zuschauern
als auch bei Athleten ein Stück weit höher liegt.

Siehe auch:
Marietta Uhden und Daniel Jung werden Deutsche Meister
2004

Weitere Infos:
www.alpenverein.de

www.sportklettern-nrw.de
www.klettern.de
www.digitalrock.de

QuelleText: Burgi Beste