Tanja Schmitt on Nemesis Stanley Headwall/BC Canada (c) Matthias Scherer
Tanja Schmitt on Nemesis Stanley Headwall/BC Canada (c) Matthias Scherer

Die Profi Eiskletterer Matthis Scherer und Tanja Schmitt haben bereits einiges an Erfahrung, wenn es um die Suche nach Eis und Schnee zu Anfang der Saison geht. Während der Winter sich in den Alpen oft erst im Dezember einstellt, kann er in den kanadischen Rockies durchaus schon Ende Oktober vorherrschen. Aber wie immer gibt es keine Garantie. Und so klettern auch Matthias und Tanja zunächst am unvereisten Felsen mit ihren Geräten. Die positive Seite der intensiven Drytool Sessions: am Ende des Trainingszirkels klettern beide 10 Routen im M9+ Bereich innerhalb einer Stunde. Mit diesem Hintergrund fällt der Einstieg in die Eissaison leichter.

In der 2. Novemberwoche zieht dann auch die ersten Kältewelle ins Land und bringt stabile Temperaturen um minus 25°C . Damit formt sich auch das Eis. Am 12. November klettert das Team den Klassiker “Murchison” am Icefieldsparkway zum Saison Auftakt bei -25°C, am 16.November “Nemesis” an der Stanely Headwall bei -22°C. Die Wasserfälle sind frisch geformt, noch sehr dünn und unbeklettert. Jeder Kletterei voraus geht die Frage, ob es überhaupt schon möglich ist, den Fall zu klettern. Keine Spuren im Eis und die Frage nach vertretbarer Absicherung machen jeden Einstieg zu einer Herausforderung- und zu einem eigenverantwortlichen Unternehmen. Für die beiden Eiskletterer aber liegt genau darin die Faszination und der Reiz ihres Aufbruchs und ihrer Reise: genau in dem Moment vor Ort zu sein, in dem das Eis als begehbar eingestuft werden kann und diesen Moment dann voll zu nutzen. Denn erst dann entfaltet das Eisklettern sein ganzes Abenteuer!

Video: Reborn – The quest for early season ice

Die Temperaturskala sinkt im Laufe der 2. Novemberhälfte stetig ab: Am 29. November klettern Matthias und Tanja “Whiteman Falls” bei Temperaturen um -27°C , am folgenden Tag einen einfacheren Eisgully (“Guinnes Gully”) bei -30°C mit der Eiskletterlegende Raffael Slawinski. Bei diesen Temperaturen ist es vor allem wichtig, ständig in Bewegung zu bleiben, daher fällt die Wahl an solchen Tagen auf stabileres Eis, das in den einfacheren Passagen auch solo geklettert wird, um nicht zu lange stehen bleiben zu müssen. Säulen und sehr dünne Linien kann man bei solchen Temperaturen getrost meiden. Wenn Eisschrauben beim reinigen am Mund sofort zu kleben drohen und jede Bewegung schwerer fällt als gewohnt, weiß man, das es kalt ist…sehr kalt! Das Eis ist anspruchsvoller zu klettern. Die Luft eisig. Es sind Tage, die man nicht vergisst!

Kein Kanada Aufenthalt ohne Ghost valley Abenteuer! Am Ende des Trips zieht es Tanja und Matthias zusammen mit Steve Swenson nocheinmal ins Ghost valley, wo sie den legendären “Sorcerer” klettern. Bei diesem Eisfall sind nicht nur die vier Seillängen ein einzigartiges Abenteuer, sondern vor allem auch der 3 stündige Zustieg und die Anfahrt auf schneeumwehter, eisiger Piste, die es mit dem Auto am frühen Morgen mit Scheinwerferlicht in der kanadischen Dunkelheit zu überwinden gilt. Kann man sich mehr wünschen? Für Matthias und Tanja fällt diese Frage eindeutig mit “Nein” aus!

QuelleMatthias Scherer (Text & Fotos)