In den nächsten zehn Tagen gab es nicht viel zu tun. Schlechtes Wetter mit extremen Höhenwinden am Gipfel und Schnee bis hinunter zum Basislager erforderten unsere Geduld. Die Expedition schlauchte uns, auch mental. Wir waren dem Gipfel bei unserem ersten Versuch so nahe gewesen.
Am Abend des 13. Juli bekamen wir eine vielversprechende Wettervorhersage von Karl Gabl, unseremMeteorologen in Österreich. Es war zwar nicht das ideale Wetter, aber immerhin waren die Bedingungen an der Wand dank der klaren, kalten Nächte annehmbar. Und auch Matthias war jetzt bereit und hatte sich akklimatisiert. Am 14. Juli um vier Uhr morgens starteten wir unseren letzten Versuch – diesmal zu dritt.
An den ersten beiden Tagen verlief alles glatt. Nach einer spektakulären Biwaknacht auf einem winzigen, ungeschützten Schneepilz kletterten wir am zweiten Tag ohne Probleme auf eine Höhe von 6.600 m. Lediglich der aufkommende Wind und der aufgewirbelte Schnee auf den letzten Seillängen über Fels und Eis machten uns ein wenig zu schaffen.Es folgte eine weitere harte Nacht, in der unser kleines Zelt beinahe unter der Schneedecke, die sich darauf gelegt hatte, beinahe zusammenbrach. Der folgende Morgen präsentierte sich kalt und grau. Wir versuchten, höher zu klettern. Es gelang uns nicht. Nach 200 m stießen wir auf eine kleine Felsspalte. Dort führte ein Tunneleingang nach innen. Der perfekte Unterschlupf, ohne Wind und Schnee. Hier konnten wir die beiden nächsten Tage abwarten.
Am Morgen des 18. Juli legte sich der Wind und der Himmel klarte auf. Es sah aus, als sei dies unsere letzte Möglichkeit. Um 6 Uhr morgens brachen wir bei Sonnenaufgang auf. Der Abschnitt, der nun vor uns lag, war unregelmäßig und schwierig. Unsere Zehen und Finger waren steif vor Kälte. Unsere Kräfte fast am Ende. Wir kletterten waagerecht direkt auf dem höchsten Grat und gelangten so auf einfacheres Gelände.Während wir kletterten, verschlechterten sich die Wetterbedingungen, aber wir wussten, dass wir schon bald ganz oben sein würden. Immer langsamer kletterten wir Traversen bis zum höchsten Punkt. Um 12.30 Uhr war es soweit. Wir konnten es kaum glauben: Es ging nicht weiter nach oben, wir hatten den Gipfel erreicht. Mit Tränen in den Augen umarmten wir einander. Wir hatten den End- und Höhepunkt einer langen Expedition erreicht und genossen nun den herrlichen Blick über einen Ozean aus Wolken und Nebel, aus dem nur die höchsten Gipfel des Karakorum-Gebirges herausragten. Der Kunyang Chhish Ost ist nun nicht länger unbestiegen. Ein großartiges Projekt im Karakorum ist endlich erfolgreich abgeschlossen.Zahlen und Fakten der Expedition:
Höhe des Gipfels: 7.400 m
Höhe der Wand: 2.700 m
Ausrichtung: Südwest
Team: Hansjörg Auer (AT), Matthias Auer (AT), Simon Anthamatten (CH)
Erstbesteigung: 14.-18.07.2013
Frühere Versuche: Von 25.-28. Juni 2013 stiegen Simon und Hansjörg bis auf 7.000 m auf, am 2. Juli 2013 stiegen Simon und Hansjörg bis auf 5.600 m
Zeit im Basislager: 12. Juni – 21. Juli 2013
Expeditionsdauer: 5. Juni – 25. Juli 2013