Gegen drei kehrte dann wieder himmlische Ruhe ein. Aber wir waren hier noch nicht fertig. Gerald hatte noch sein 35m Projekt vor sich, Bodo noch keine Idee für die Schlüsselstelle seiner Route und Axel überlegte, wie er Jahre versäumter Dehnungsübungen ausradieren könnte um sein Projekt zu punkten. Und in drei Stunden schon wartete der Wagen zur letzten Fahrt zur Hütte.

Fotostrecke: Klettern in Montenegro

Als erster hat Axel es geschafft, den Leistenmantle zu reißen. Statt zu jammern, einmal ziehen und die Beweglichkeit reichte dann doch den Fuß neben die Hände zu bringen. In “Apollo 13”, 6c+ wurde das Problem also erfolgreich gelöst. Bei Gerald stockte die Begehung seiner Route dann unerwartet früh, wie wenn ein Griff sich entschieden hätte ein Stück weg zu rücken. Dann folgte aber doch ein Feuerwerk von Dynamos an Leisten und Slopern und “Survival of the Fittest”, 7c war geschafft und wir jubelten.

Gerald meinte nur lakonisch, er klettere seine schweren Projekte immer am letzten Tag. Ein Blick in Bodos Route ließ bei uns jedoch erst schiere Ratlosigkeit aufkommen.  Weder konnten wir auf unsere Fähigkeiten noch einen ganzen Grad draufpacken, noch unsere Reichweite kurzfristig um 20cm verlängern. Was tun?

Da wir ohnehin ein ganzes Gebiet samt Ethik importierten, warum nicht die Palette erweitern? Unter Anleitung von Gerald und mir brachten Bodo und Axel dann ihre erste sächsische Unterstützungsstelle zustande. Auch wenn trotz recht einfacher Platzierung der Erfolg erst nach zwanzig Minuten Probierens kam, ging es dann doch ganz passabel. Die Electric Avenue muss also nun erst mal “mit Unterstützung” firmieren, klingt aber besser als 7a/A0, fanden wir.

Der letzte Abend auf der Hütte begann mit reichlich Essen, und setzte sich begleitet vom Hantieren mit den großen Niksicer Flaschen bei der Bilanzerstellung fort: 65 Routen total, gespickt mit 520 Haken von 2 bis 7c+, 2 Projekte ca. 8, eine im Stil verbesserungswürdige Route, das Ganze an vier Felsen. Die Begeisterung der lokalen Bevölkerung wurde entzündet, hier werden demnächst nicht nur Touristen klettern. Das Potential ist noch reichlich, da wir einen Riegel noch nicht mal begonnen haben, stehen dort noch mehrere Sektoren bereit. Auch an den von uns erschlossenen Felsen warten neben leichten Möglichkeiten noch die oberen Wandbereiche, die durchweg einiges an schweren Routen erwarten lassen.

Wem jedoch das Sportklettern zu banal erscheint, der wird im Grbaja Tal vollends zufrieden gestellt. Auch uns quälte der allmorgendliche Blick auf die 400- 600m hohen Kalkwände, die nach einer guten Stunde Zustieg einem fast unerschlossen zu Füßen liegen. Der Wetterstein Montenegros war bis jetzt nur ein Tummelplatz einiger verwegener Yugoslawen in den Siebzigern. Da geht noch was.

Wir rüsteten uns am anderen Morgen zur Abreise, mit der Aussicht in Kolasin, einem Skizentrum Montenegros, noch einige Felsen an zu schauen, die im Rahmen eines Österreichischen Partnerschaftsprojektes teilweise erschlossen wurden. Der strömende Regen verhinderte aber nicht nur die erforderliche Bachüberquerung, sondern logischerweise auch das Klettern. Weitere sehnsüchtige Blicke kann man noch in der Moraca Schlucht verschwenden wo derzeit statt 2000 möglichen nur 20 Routen existieren.

Dann nach Ankunft im Hotel in Podgorica herrschte wieder städtische Realität. Natürlich sollte eine Gruppe von neun Leuten nie gleichzeitig duschen wie soll, das auch eine Wasseranlage zustande bringen? Die Taxifahrt zur Abschlussbesprechung mit der GTZ Projektleiterin endete für zwei Gruppen am irgendeinem italienischen Hotel statt an dem verabredeten italienischen Restaurant. Nach kleiner Stadtrundfahrt war auch das Problem gelöst und wir saßen in konstruktiver Diskussion endlich am Tisch.

Da am anderen Morgen nicht die Bohr- sondern nur die Flugmaschine wartete entschieden wir uns natürlich nicht gleich für´s Hotelbett. Podgorica´s Kneipen und Clubszene wurde einem Mannschaftstest unterzogen und für gut befunden. Ich als Koordinator des Teams konnte nur stolz auf alle sein, die mit dabei waren und unentgeltlich und unermüdlich die ganze Woche einen Grundstein für unseren Sport in den Bergen um Plav gelegt haben. Das in einer Region, die nicht nur Bergwanderer, und Mountainbiker begeistert, sondern nun auch kletterbereit ist. Prokletje – für Klettern. Weitere Reiseinformationen als PDF von Ralf Gentsch

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QuelleRalf Gentsch