Prokletje: Klettern in Montenegro

Der Zeitpunkt ist gut, die touristische Infrastruktur neu strukturiert, ohne den ursprünglichen Charakter der Region zu verwischen. Fremde Kultur und grandiose Bergwelt auf der einen Seite und relative Nähe und heimischer Euro auf der andern. Jeder von uns fand am Ende Gründe für einen weiteren Besuch. Die Felsen, ob Alpin oder Sportbereich, stehen jedoch ganz oben auf der Liste. Erschließer willkommen.

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Ende April, der Organisationsstress nimmt ab, dachte ich. Unser neunköpfiges Routenerschließungsteam ist sicher in Podgorica, der Hauptstadt Montenegros gelandet. Ein Kleinbus soll uns hier abholen und ins Prokletje Gebirge zu unserer Unterkunft bringen. Aber – kein Kleinbus, kein Fahrer mit Schildchen am Ausgang, beide Telefonnummern – not available in the moment.

Die Jungs nehmen´s gelassen und bestellen Bier, was mich in Bezug auf die Leute beruhigt, von denen ich alle bis auf zwei noch nicht persönlich kenne. Allerdings weiß ich als einziger wirklich, wie lange die Fahrt noch dauert und es ist schon nach 7 Uhr abends. Mein dann hektisches Suchen brachte Erfolg, der Fahrer lag mit südländischer Gelassenheit gemütlich im Fond des Busses und hatte besagtes Schildchen hinter die Scheibe gesteckt. Los ging´s also, auch wenn in der Moraca Schlucht gebaut wurde und der Fahrer nicht über den kurzen Pass wollte so waren wir nach Restaurantstop auch endlich gegen Mitternacht in der Hütte des PSD Karanfil, einem der örtlichen Bergwandervereine.

Morgens nach dem Frühstück dann wurden wir der drei riesigen Kartons gewahr. Unser Material: drei Bohrmaschinen, Drehmomentschlüssel und 560 Haken. Kurz gezählt, super alles da. Da man alles aber gern befingert, reißen wir die Packungen mit den Ankern auf. Neeiin! Nach dem Schreck diente mein nachfolgender tiefer zehn Liter Atemzug dann zur Wahrung der Etikette vor unseren Gastgebern. Statt 10 Zentimetern maßen die Anker ganze 17! Der Schock relativierte sich, immerhin besser zu lang als zu kurz.

Da unser Übersetzer noch fehlte sollte keine Minute ungenutzt bleiben und mit dem Hüttenwirt wurde die Sache per Gestik erörtert. Trotz Sonntag und orthodoxem Ostern stand zwanzig Minuten später ein Mechaniker vorm Haus der uns die ersten 80 Stück für den nächsten Tag kürzen wollte und die weiteren in Folge. Aus gesunder Skepsis schickte ich noch Axel als Qualitätskontrolleur mit und nach zwei Stunden hatten wir eine Arbeitsgrundlage für den nächsten Tag und auch Axel wieder zurück.

Derweil bei der ersten Arbeitsberatung am Morgen saßen alle Bergwandervereine mit am Tisch und boten ihre Hilfe an. Da leider keine Kletterer in ihren Reihen vorhanden waren, beschränkte sich die Zusammenarbeit wohl auf die Jungs vom PSD Hrid, die uns jeden Tag zum Fels und zurück bringen sollten. Dazu diente der für mich schon legendäre Pinzgauer, ein österreichischer Unimog  Verschnitt, der einem bei jeder Fahrt die Lungen mit dem füllte, was der altersschwache Motor nicht optimal verbrannte, besonders bei geschlossener Plane. Passend zum Fahrzeug war der Fahrer, Enko, der den Platz hinter dem Lenkrad mit seinen zwei Metern gut ausfüllte und generell so laut redete, wie das Auto im Vollgas klang.

Gut klang hingegen, dass 4 Kletterer aus Peja, einer Stadt im Kosovo auf der anderen Seite der Berge, uns wirklich etwas unterstützen konnten. Die Sitzplatzsituation im Verhältnis von dann 13 Leuten auf 8 Sitzplätzen entspannte dies aber nicht wirklich.

Nichtsdestotrotz nutzten wir den Tag um uns die potentiell zur Verfügung stehenden Felsen an zu schauen. Dabei entdeckten wir Möglichkeiten, die ich damals bei meinem Besuch mangels Fahrzeug nicht mehr am letzten Tag direkt besuchen konnte. Wir hatten also schnell drei Felsen bestimmt und einen vierten Riegel mit kleinen Felsnadeln als Zusatzbonbon in petto. Abends untersuchten Ferdi und Reini noch einen Block in der Nähe der Hütte, der auch reichlich Potential bot.

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QuelleRalf Gentsch