Alexander Wenner im Gespräch mit dem Pfälzer Kletterpionier Hans Laub

Im heimatlichen Sandstein und den Nordvogesen hat Hans Laub in vielen Jahren weit über 1000 neue Kletterwege eröffnet. Darüber hinaus wurde von ihm Neuland in über 250 Routen in den Südvogesen, Luxemburg und im Battert erschlossen. Alex Wenner hatte Gelegenheit, sich mit Hans Laub zu unterhalten.

Hans Laub und Alex WennerAlex: Hans, wenn wir am Samstag kommen, bringen wir selbstverständlich Kuchen mit. Hast du eine Kaffeemaschine?

Hans: Nein, eine Kaffeemaschine hab ich nicht! Aber mein Haus, da ist alles einmalig, kurze Pause: "Stadtbekannt" – sogar über die Grenzen von Pirmasens hinaus – für einen alleinstehenden Mann: Selten!

Über die Grenzen von Pirmasens hinaus ist vor allem Hans Laub für seine ingesamt 1500 Erstbegehungen im Pfälzer Sandstein und abseits der Pfalz bekannt, ein berühmter Kletter-Pionier, der mit Klettergrößen wie dem 20 Jahre älteren Fred Frey, aber auch mit dem Kletterer und Expeditionsfilmer Martin Schliessler, den er 1948 am Battert kennenlernte, auf Kletterfahrt war. Daraus wurde eine 60-jährige Freundschaft.

Hans besonnene Art, seine freundliche Ausstrahlung, sein Sinn für Kletterphilosophie, für den Stil, der jeweils zu seiner Zeit Standard war, seine soziale Kompetenz als "Mediator" in den 70-zigern zwischen neuer Sportklettergeneration und Traditionalisten, sein innere zufriedene Ordnung, die Disziplin die notwendig war, das zu leisten was er geleistet hat und sein ausgesprochenes Interesse am gesellschaftlichen Leben, ob politisch oder bei seinen Zeitungs-Kolumnen, die er auch heute noch handschriftlich verfasst, seine liebevoll gestalteten Fahrtenbücher, die von Anfang bis heute all seine Touren mit Karikaturen dokumentieren, das sind nur einzelne Beispiele, die für mich die lebende Legende Hans Laub als ganz besonderen Mensch ausmachen.

Hans, du bist jetzt 84 und kletterst immer noch – wie lange schon?

Ich klettere seit 76 Jahren. Mit 8 Jahren mit meinen Vater Alfred, ein Kletterer der Pfälzer Pionierzeit, begann ich am Teufelstisch mit dem Klettern, also 1937. Den Normalweg kletterten wir damals technisch mit Schulterstand.

Was war deine Motivation?

Vorwiegend das Naturerlebniss, die Natur bei meinem Sport miteinzubeziehen. Ich hatte damals schon keine Lust in der Arena zu verbringen, zb in einem Fußballstadion, mit Massen von Menschen.

Zu der Zeit war es eher unüblich soweit weg von den Alpen klettern zu gehen – Klettern war kein Trendsport mit Hallen und Plaisirtouren -was war besonders inspirierend für dich?

Richtig los gings 1939, Pirmasens war Evakuierungsgebiet. Wir hatten Pirmasens verlassen und sind nach Reutte in Tirol. Mein Vater war nicht beim Militär und ging mit mir zum Hochvogel, auf die Trettachspitze im Allgäu zum Klettern, Gimpel war auch Ziel zum Klettern. 1941 gings zurück nach Pirmasens und ich startete beim DAV Pirmasens, in dessen Jugendgruppe und Klettergruppe . Inspiriert haben mich einerseits das Naturlerlebniss, aber auch die körperliche Herausforderung, was mir sehr gut entgegenkam, ich hatte zu der Zeit eine athletische Statur und meine Sehnen waren stark, also ideal zum Klettern.

Waren eigentlich alle Felsen in der Pfalz, die Grössten, kartografisch erfasst oder gab es ähnlich zu den Boulderblöcken die wir suchten in den 90-zigern, auch neue Massive zu entdecken, nicht nur Linien, die ihr erschlossen habt?

Nein,alle Felsen waren bekannt, die Pioniere 30 bis 40 Jahre vorher hatten diese benannt. Es wurde allerdings nur an Türmen geklettert, nicht an Massiven, also ähnlich wie im Elbstandstein. Der Reiz lag an dem freistehenden Turm zu klettern mit Gipfelbucheintrag am Ende, Massive hatten keine Gipfelbücher. Ich hatte zu der Zeit alle 80 freistehenden Türme in der Pfalz seilfrei wie der Preuß im Auf-und Abstieg geklettert, darunter die anspruchsvollsten Normalwege am Honig (6-) und den an der Adelsnadel (5+), auch der Ludwigshafener Turm war sehr anspruchsvoll, inspiriert durch den klassischen Alpinismus. Das meiste kletterten wir aber mit Seil, wo es ganz schwierig wurde, natürlich technisch A0 und A1. Der Schliessler sagte einmal: Hans merks dir – der beste Griff beim Klettern ist der Karabiner.

Wie waren eure Klettergurte konstruiert, habt ihr mit Hanfseilen geklettert, aus welchem Material waren eure Kletterschuhe?

Anfangs kletterten wir nur mit dem Seil um den Bauch und Vibramsohlen-Bergschuhe. 1923, als die Bockverschneidung geklettert wurde, wusste man von einem Knoten oder Klemmkeil gar nix. Dann wurde ein verlängerter Sackstich benutzt, das verlängerte Seilstück diente als Hosenträger über die Schulter und sollte so ein Sturz abfangen. Stürzen durfte man ohnehin nicht. Erst die Franzosen haben den Klettergurt entwickelt und eingeführt-Orientiert hat man sich nach dem Krieg an den Fallschirmspringern und die Beinschlaufen dabei hat man auch für Klettergurte angewendet.

Die Matheis Brüder haben mit der Bockverschneidung 1923 an den Lämmerfelsen ein ganz knackiges Freikletterproblem vorgelegt. Du sagtest, der Otto sicherte den kompletten Riss nicht ab und zog auf den 30 Metern im 6.Grad nur das Seil hinter sich her. Du hast es nach ihm im gleichen Stil wiederholt. Wann war das – on sight free solo oder habt ihr im Toprope die Route einstudiert?

Die Matheis Brüder kamen aus dem Turnerlager und waren sehr stark. 10 Jahre hatte es gedauert, bis die Tour das erste Mal wiederholt wurde. Der Scheiber Rudi hatte es 1933 wiederholt und weitere 20 Jahre danach kletterte ich 1953 die dritte Begehung, so wie die Matheis ohne vorher zu topropen, von unten, ohne irgendeine Sicherung anzubringen, eben so wie es der Otto geklettert hatte. Lothar Brandler gelang 1 Jahr später die vierte Begehung.

Absicherung war zu der Zeit also eher ein Fremdwort. Es gab noch keine Klemmkeile und Cam´s, betonierte Ringe in der Pfalz gab es auch erst deutlich später.

Direkt nach dem Krieg haben wir schon Haken geschlagen, Fred Frey war Schmied und hat die Haken angefertigt, auch Ringhaken. Knotenschlingen gab es in Sachsen, davon wussten wir Pfälzer aber nichts, die ersten Sachsen die kamen waren Lothar Brandler und Dietrich Hasse. Die haben uns dann das Knotenschlingen legen gezeigt. Ziel war, so wenig Sicherungen wie nur möglich zu schlagen, an Standplätzen haben wir oft keine geschlagen und auf Absätzen standen wir ungesichert und haben über den Körper den Nachsteiger nachgesichert. Später, als Pit Schubert Tests gemacht hat, Dietrich Hasse war am Sichern und im Sturzstand wurde ein Gewicht fallen gelassen, war klar, dass man über den Körper harte Stürze nicht sichern kann. Erst in den 70-zigern Jahren kamen die gebohrten Ringe, die man gleich betoniert hat-gesetzt wurden die, um alte Touren zu sanieren. Gebleit wie in Sachsen wurde nichts, später dann gab es paar Touren zb von Rainer Scharfenberger, in denen es gebleite Ringe gab.

Eure Touren waren demnach tatsächlich reinste Totesunternehmen, so wie es Güllich und Nöltner später für ihre Touren wie Nordpfeiler am Asselstein oder Zentrale Süd am Pferchfeld formulierten, also mehr ein Free Solo, als ein gut gesichertes Spass-Klettern?

Es gab die freien Linien soweit wir frei klettern konnten, wo es extrem schwer war, kletterten wir technisch, wo wir frei kletterten war es oft auch extrem frei. Da sind wir über längere Strecken auch ohne Sicherung geklettert und wie schon gesagt, Stürzen war in diesen Touren verboten.

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QuelleAlex Wenner, Fotos: lvaro Forrero, Archiv Laub