Anekdote: Im Kletterergarten

TulpenUm Irritationen vorzubeugen, sei gleich zu Anfang die Frage erlaubt, ob die Überschrift richtig gelesen wurde? Es handelt sich nämlich tatsächlich nicht um einen Klettergarten, sondern um den Garten eines Kletterers. Den wesentlichen Unterschied beider Dinge muss ich wohl kaum erklären. Eher schon, wie es letzteres überhaupt geben kann; denn an sich hat ein aktiver Kletterer ja kaum Zeit dazu, wie ein Maulwurf in der Erde zu wühlen. Dennoch mag es Gründe geben, die auch für „Otto-Normalkletterer“ einen Garten rechtfertigen. Am begreiflichsten ist dabei ein Stück eigene Scholle, wenn sie in Felsnähe liegt und der Nutzer eher weit entfernt davon wohnt.

In der Regel sind solche Gärten dann oft weniger gepflegt, weil es den Eignern mehr auf die Hütten ankommt, die in der Regel auf dem Gartenland stehen. Schlechter getroffen haben es jedenfalls jene, die sozusagen Widerwillens zum Gartenfreund wurden, z.B. weil die Ehefrau genauso fanatisch für den Garten plädiert, wie der kletternde Ehemann für den Fels. Das schreit dann förmlich nach Kompromissen, um weiter miteinander leben zu können. Diese Vereinbarungen können dann vorsehen: … ein Wochenende im Garten, und eines am Fels. Oder man „darf“ in der Woche raus fahren, zum Wochenende nicht. Auch … samstags ja; sonntags nein! … wäre denkbar.

Es gibt da eine ganze Reihe einengender Möglichkeiten – und schon ist aus dem stolzen Kletterer eine Art Engerling geworden, der im heimischen Garten durch die Furchen kriecht und die Krumen lockert. Leider muss ich gestehen, dass auch ich zu dieser Spezies gehöre, auch wenn meine Frau noch relativ viel Verständnis für meine Kletterleidenschaft aufzubringen vermag. So haben wir uns im Groben auf eine Arbeitsteilung geeinigt. Sie bestellt im Wesentlichen den Garten und ich bin verantwortlich für Technik und Bungalow. Ein schönes Gartenhaus ist ja schon deshalb wichtig, weil man nach der Bergfahrt so herrlich mit der Bierflasche davor sitzen kann. In dieser Hinsicht ist ein Garten schon schön, … wenn es nur nicht soviel Arbeit damit gebe.

„Gut“, meinte meine Frau, „da machen wir im halben Garten Wiese … und schon brauchen wir weniger umgraben“. Begeistert stimmte ich zu, obwohl das Umgraben ja zum Bestellen des Gartens gehörte und damit genau genommen ihre Aufgabe war. Erst zu spät bemerkte ich das Eigentor; denn eine Wiese will gepflegt sein und das Rasenmähen hatte mit Technik zu tun, gehörte also zu meinem Ressort. So lange wie möglich versuchte ich mich nun jeweils davor zu drücken, wodurch es ständig zu Auseinandersetzungen kam. Immer und immer wieder lag mir meine Gute in den Ohren damit, dass ich endlich mähen solle.

Eines schönen Samstags, an dem besonders viele Gartenfreunde ihre Scholle beharkten, war es wieder so. „Jetzt geh endlich raus und mähe“, schimpfte sie. Da stellte ich mich auf die Terrasse, legte die Hände als Trichter vor den Mund und begann laut zu mähen. Wie ich fand, … ein köstlicher Spaß! Meine „Alte“ sah das allerdings anders und ihre Miene verhieß nichts Gutes. Es war wie ein Wetterleuchten kurz vor dem Gewitter. Also den Rasenmäher raus und ich musste ran, da half alles Sträuben nicht. Wie ein besessener begann ich zu mähen, in der Hoffnung auf besseres Wetter.

Aber was sonst die Pflege des Gartens betrifft, hat Benita ihr Wort gehalten – mit anderen Worten, da muss ich nicht helfen. Ein einziges Mal gab es ihrerseits einen Versuch das zu ändern. Sie bat mich darum verblühte Tulpen abzuschneiden. Also nahm ich eine Schere und schnitt sie alle „Oberkante Erdboden“ ab. Meine Frau meinte daraufhin, sie hätte noch niemanden gesehen, der sich so doof anstellen würde wie ich. „ Ich hab mich nicht doof angestellt“ widersprach ich laut, wozu sie noch lauter (sodass es garantiert alle Nachbarn hörten) rief: „Nein, das weiß ich. Du bist doof!“

Seitdem darf ich kleingärtnerisch nichts mehr helfen; und seitdem ich 2 Spaten zerbrochen hatte … nicht einmal mehr beim Umgraben. Aber es tat mir dann doch wieder leid, wenn sie alles allein machen musste. Ich konnte es einfach nicht mehr mit ansehen, wie sie sich vor dem Bungalow mit dem Spaten abquälte. Also musste ich Abhilfe schaffen. Deshalb kaufte ich im Kletterladen so gegen 50 Plastikgriffe und schraubte sie an die Rückwand unseres Gartenhauses.

Wenn sie nun vorn umgräbt, quere ich hinten am Bungalow und übe verschiedene Spreizschritte und Blockierungen. Manchmal rufe ich auch nach ihr, um ihr eine neue Stellung an meiner Kletterwand zu zeigen. Aber dann winkt sie immer wütend ab und meint … ich solle mal über andere Stellungen nachdenken. Aber die fallen mir bei dem geringen Griff- und Trittangebot beim besten Willen nicht ein.

Oder ob sie etwas anderes meint? Aber das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen, … bei den Rückenschmerzen, die sie vom Umgraben hat. Im Übrigen gilt ja wohl auch immer noch der Satz: Wenn’s hinten wehtut, soll man vorne aufhören!

Peter Hähnel (67 Jahre)
Klettert als Dresdner hauptsächlich in Sachsen.
Am 17. März wird er in der Felsenwelt des Elbsandsteingebirges sein 50-jähriges Kletterjubiläum feiern.

Siehe auch:
Climbing.de Anekdoten

QuelleText: Peter Hähnel