Ausgetickt und Abgeschmiert – Kletter-Vandalismus in Kochel

Kletter-Vandalismus
ist nichts Neues. Abgesägte Abseilhaken im Kaisergebirge am
Bauernpredigtstuhl, Maschinenschmiere an Konsteiner Kletterfelsen…
Doch wer glaubt, dass diese unschönen Episoden der
Kletter-Historie endgültig in die ewigen Jagdgründe des
Sportkletterns verbannt wurden, täuscht sich gründlich. Der
Kletter-Krimi zieht weiterhin seine Kreise und führt dieses Mal
ins Herzblut der Kochler Boulderszene:

Die Tick-Wall ist mehr als einen Tick zu schwer für
Boulder-Greenhorns wie mich. Die Muskeln pumpen heftig schnell im roten
Bereich. Aber da gäbe es ja noch einen weiteren Trainings-Sektor,
meint mein Partner. Bio´s Bahnhof Klo, so wird der Fels im neuen
Kochel-Topo bezeichnet. Im linken Wandteil erwartet uns laut
Beschreibung ein “geiler, leichter siebter bis achter Grad”. Wir
wandern also fünf Minuten höher durch zauberhafte
Frühlings-Buchenwälder mit Blick auf einen
sonnen-gleißenden Kochelsee. Idyllisch leuchtet das Wändchen
im Abendlicht. Doch der Frieden trügt. Und bald schweigen wir
entsetzt. Jeder Zentimeter eines möglichen Klettergriffes ist
messerrückendick mit brauner Fettschmiere eingekleistert. Die
“Rostflecken” bedecken alle kletterbaren Quadratmeter des Felsens. Es
stinkt nach Maschinenfett. Am Wandfuß, fein in ein
Holz-Äste-Gestrüpp eingeflochten, stecken mindestens
dreißig leere Weinflaschen. Die Wall ist rundweg unkletterbar.
Und sie wird dies bei diesem Vandalismus-Ausmaß noch für
Jahre sein. Hier oben, mitten im Kochler Naturparadies, an einer
wirklich wenig besuchten Wand soll aus welch Gründen auch immer
den Kletterern der Boulderspaß erst einmal verwehrt sein. Wer ist
hier nur so ausgetickt?

Den
“Locals” ist dieser Ort schon jahrelang bekannt. Trotzdem sind die
Touren nie über frequentiert. Es ist ein ruhiges und traumhaftes
Ambiente für Boulderer und Natur-Liebhaber. Jedem müsste es
ein Anliegen sein, diesen Platz in seinem ursprünglichen Zustand
zu erhalten. Müsste. Und da setzt sich der Krimi fort: Welche
Motive führten zur Tat? Wir fantasieren wilde Spekulationen:
Camper, die sich von der Kletterszene gestört fühlen
vermiesen den Kletter-Spass und können endlich wieder ihre
Weinrituale in Ruhe durchziehen? Ortskundige verdächtigen die
Kletterer hier Boulder-Feten zu feiern und wollen der unmoralischen
Szene eine Abreibung verpassen? Letztlich wissen wir die
Beweggründe nicht. Wir wissen nur: Noch vor zwei Monaten war die
Kletter-Welt hier oben in Ordnung. Wer das verbrochen hat, dem sind
nicht nur Kletterer ein Dorn im Auge. Auch der Naturschutz scheint
bedeutungslos zu sein. Es hätte schließlich andere Wege des
Protestes gegeben. Aber diese Aktion war feige.

Wir stehen vor der voll versauten Wand. Den Verursacher ketten wir in
Gedanken an den Wandfuß und lassen ihn in wochenlangem Putzdienst
den Urzustand des Felsens wieder abschmieren. Leider funktioniert diese
Sanktion nicht. Tätermotiv und Täter sind unbekannt. Die
Bestrafung fällt daher aus. Aber wie endet der Krimi? Wenigstens
eine Wiederholungs-Tat soll verhindert werden, damit sowohl
Weinflaschenmassaker wie auch Felsvandalismus ein Ende finden. Der
Krimi muss an die Öffentlichkeit. Aufklären und Aufpassen
lautet das Motto zur Abschreckung weiterer Schmierereien. Denn für
ein schweigsames Hinnehmen war dieser Rache-Akt einfach einen Tick zu
deftig.

QuelleText & Fotos: Manu Unger