Expeditionstraining an der Großen Zinne Nordwand

Auf Grund nahe stehender Expeditionen überlegten wir immer wieder, wie wir uns am besten auf lange und kalte Wände vorbereiten könnten. An einem feucht-fröhlichen Abend kam Wusel und mir schließlich die Idee: Große Zinne Nordwand, Phantom, im Winter mit Biwak im Portaledge!

Fotostrecke: Reinhard Hones und Martin Schindele im Phantom der Zinne (9+)

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Kurze Zeit später, 18.März, die letzten zwei Tage des kalendarischen Winters, die angekündigten Temperaturen könnten eine Winterbegehung in diesem Schwierigkeitsgrad zulassen.

Die Straße zur Auronzohütte ist im Gegensatz zum Sommer leider nicht geräumt, dafür kann man sich mit einem Skidoo hochfahren lassen: 20 EUR zahlen statt 600 Höhenmeter mit 30kg Gepäck laufen, wir können diesem Angebot nicht widerstehen. Von der Auronzohütte laufen wir schließlich mit Ski durch die winterliche Landschaft zum Einstieg der Großen Zinne Nordwand.

Die Wand ist auf Grund ihrer Steilheit fast schneefrei, die Temperaturen liegen knapp unter Null und es geht kaum Wind, perfekte Verhältnisse! Um 12.30 Uhr steigen wir in die Route ein. Trotz unseres schweren Haulbags (sein Name ist Kurt), inklusive Schlafsäcke, Kocher und Portaledge (ihr Name ist Alice), kommen wir recht zügig in freier Kletterei voran.

Nach der siebten Seillänge beginnt es zu dämmern und wir beschließen hier in der senkrechten, prallen Wand unser Portaledge zu errichten. Wusel zieht die komplizierte Aufbauanleitung von Alice aus der Tasche. 😉 Nein, Nein, Spaß, wir haben den Aufbau natürlich vorher geübt… Jeder noch eine Tüte Expeditionsnahrung, etwas Tee und wir verkriechen uns in unsere Schlafsäcke.

Das Ambiente ist einmalig, wir können es fast nicht glauben, wir liegen im Portaledge in der Zinne Nordwand im Winter. Leider können wir es kaum genießen, denn die Nacht wird bitter kalt.

19.März, wir erheben uns aus dem Portaledge, um 7.30Uhr geht es bei eisigen Morgentemperaturen in die nächste Seillänge weiter. Im Schwierigkeitsgrad 9- ein undankbarer Kaltstart, doch der Wille ist stärker als die Kälte. Wir belassen alles unnötige Gepäck am Portaledge und sind heute leichter und damit schneller unterwegs. Zum Glück haben wir die meisten schweren Seillängen schon am ersten Tag hinter uns gebracht.

Die Schlüsselseillänge(9+) klettern wir teils technisch, die Kraftausdauer im Winter ist einfach nicht die gleiche wie im Sommer… In den spärlicher abgesicherten Ausstiegslängen liegt erfreulicherweise auch sehr wenig Schnee und um 15.00Uhr erreichen wir den letzten Standplatz am tief verschneiten Ringband.

Reine Kletterzeit hatten wir gute 12 Stunden, was für eine Winterbegehung in dieser Schwierigkeit eigentlich keine schlechte Zeit ist. Doch für Freude ist es noch zu früh, denn wir müssen erst mal wieder runter von diesem Berg.

Wir seilen über die Route ab. Die äußerst luftige und teils diffizile Abseilfahrt pumpt uns noch einmal eine gehörige Portion Adrenalin in die Adern und mit dem aller aller letzten Tageslicht kommen wir endlich am Einstieg bei unseren Ski an.

Mit Stirnlampen treten wir den zähen Rückweg zur Auronzohütte und weiter nach Misurina zu unserem Auto an. Wir spüren nichts mehr, kein Schmerz, kein Hunger, kein Durst, wir bewegen uns vollständig im Delirium. Nur noch ein paar vereinzelte Bilder der vergangenen zwei Tage blitzen vor Augen auf: Steiler gelber Fels, die winterliche Berglandschaft, die Kälte, das Phantom,… ein unvergessliches Winterabenteuer.

Sponsor Reinhard Hones: Mammut

QuelleReinhard Hones