Hüttenwirtin Silvia Huber ist "Berggeist des Jahres 2007"

Silvia HuberDie Hüttenwirtin und Bergsteigerin Silvia Huber ist “Berggeist des Jahres 2007″. Damit zeichnet der traditionsreiche Münchner Alpenklub Berggeist” (AKB) erstmals eine Frau mit diesem Titel aus. ,Wir möchten mit diesem, mit 500 Euro dotierten Preis, Personen ehren, die sich im Sinne der Vereinssatzung besonders um den “idealen Wert des Bergsteigens” verdient gemacht haben, so der AKB-Vorsitzende Siegfried Weippert – ein Bild des Kaisermalers Norbert Widmoser soll den Anspruch an das Ideelle unterstreichen.

Die legendäre Wirtin des Hans-Berger-Hauses im Kaisertal schafft mit ihrem unkonventionellen und resoluten ‚Regiment’ eine besondere Bergsteiger-Atmosphäre auf dem Hans-Berger-Haus. Auf diese Weise gelingt es ihr, den Mythos des Wilden Kaisers am Leben zu erhalten, mit großer Leidenschaft, ohne Eitelkeit und ohne Künstelei. Aufsehen erregen auch ihre unkonventionellen Aktionen, zum Beispiel, die 2006 gemeinsam mit der Kufsteiner Autorin Brigitte Weninger eröffnete erste ‚Gipfelbibliothek’ – so die Begründung der Wahl. Brigitte Weninger, die im Hans-Berger-Haus so etwas wie eine “zweite Heimat” gefunden hat, trug bei der Übergabe des Preises die Laudatio vor.

Silvia Huber wurde 1963 in der Steiermark in eine Bergsteigerfamilie geboren. Vater Adi und die Onkel Franz und Lois Huber waren weithin bekannt. 1968 pachteten die Eltern das Hans-Berger-Haus im Kaisertal, die Bergsteigerschule Wilder Kaiser wurde gegründet. In Bezug auf Berghütten kann man also bei Silvia Huber durchaus von frühkindlicher Prägung sprechen. Vater Adi nahm sie auf seine Führungstouren mit, meist endlose, klassische Schrofentouren. Nach diesen ersten Lehrjahren durfte sie mit den Bergführern der Bergsteigerschule losziehen, bereits in den Kinder- und Jugendjahren lernt sie so nahezu alle gängigen IIIer- und IVer-Touren im Kaiser kennen.

Silvia HuberBeginn der Achtzigerjahre hatte sich in der Alpinwelt der Feminismus noch nicht durchgesetzt. “Anschaffen tut der Mann, und wenn Du mitgehen willst, dann steige nach”, hieß es meistens. Mit dem Kufsteiner Bergführer Georg Baumgartner fand sie aber doch einen toleranten Kletterpartner. In den folgenden Jahren durchkletterten sie die anspruchsvollen Kaiser-Klassiker wie zum Beispiel Totenkirchl Westwand, Kleine Halt Plattendiritissima, Fleischbank Ostwand, Predigtstuhl Schüle-Diem, Fleischbankpfeiler Nord-Ost-Risse, Thaler-Stumhofer oder der Genießersteig am Totenkirchl. Sportklettern und Skitouren füllten das restliche Bergjahr.

Nach Beendigung ihrer Ausbildung am Fremdenverkehrskolleg Innsbruck 1985 begleitete Silvia ihren Vater fast jedes Jahr nach Nepal; so lernte sie die bekanntesten Trekkingrouten um Anapurna, Dhaulagiri, Manaslu und Langtang kennen. Etliche Trekkinggipfel, wie der Pisang Peak, wurden bestiegen. Die Reiselust hatte sie nun ganz gepackt: Im Sommer auf der Hütte, im Winter in Thailand zum Klettern, so kann man leben. Die Mutter konnte jedoch aus gesundheitlichen Gründen das Hans-Berger-Haus nicht mehr länger führen.

Trotz Reisefieber stand es für Silvia Huber fest, in die Fußstapfen der Eltern zu treten. 1990 hielt sie als Wirtin im hintersten Winkel des Kaisertals Einzug. Aus ist es seit dem mit unbegrenztem Klettervergnügen, statt dessen bestimmen Schweinsbraten und unzählige Knödel den Tagesablauf. Doch Silvia Huber ist mit Leib und Seele Hüttenwirtin – und bleibt trotzdem ein Freigeist. 1993 wurde ihr Sohn David geboren, der mit ihr auf der Hütte aufwächst. Trotz knapper Zeit, klettert sie nach wie vor fast alle neu eröffneten Routen rund um ihre Hütte.

Silvia HuberDoch im Hans-Berger-Haus wird nicht nur vorzüglich gekocht und geklettert, es werden auch außergewöhnliche Ideen geboren. So wurde die erste Gipfelbibliothek der Welt von Brigitte Weninger und Silvia Huber bei einem Glas Wein und der Inspiration der “Koasawände” gegründet. Damit die Berge ein wenig weiblicher werden, rief Silvia Huber die “Wilde Kaiserin” ins Leben, das Frauenprogramm der Bergsteigerschule Wilder Kaiser, das jedoch auch ein Stück Lebensphilosophie ist.

Das Preisgeld will Silvia für die Sanierung der Kletterrouten in den Scharlinger Böden verwenden.

Silvia Huber lebt mit Partner Christoph und Sohn David im Sommer auf dem Hans-Berger-Haus und im Winter in Niederndorf bei Kufstein. Noch stehen ihr etliche ausgefüllte und arbeitsreiche Jahre am Hans-Berger-Haus bevor, “Aber dann werde ich hoffentlich wieder an die tief im Herzen liegenden Erinnerungen der wilden Achtzigerjahre anschließen können. Zwar sicher nicht mehr in dem Schwierigkeitsgrad, aber dafür mit genauso viel Freude und ‚Berggeist’.”

Die Auszeichnung “Berggeist des Jahres” wird in diesem Jahr zum vierten Mal vergeben. Die Preisträger waren 2004 Hermann Magerer, Journalist und Gründer der TV-Sendung Bergauf-Bergab, 2005 der Münchner Bergsteiger Hermann Huber, der als Chef der Firma Salewa über Jahrzehnte die Entwicklung neuer Produkte vorantrieb, und 2006 Bernd Kullmann, Bergsteiger, Rucksackentwickler und Geschäftsführer des Rucksackherstellers Deuter.

Der Abend wurde abgerundet durch den Festvortrag und die AKB-Aufnahme von Sepp Gwiggner – dem ersten Alpinisten, der alle Touren aus Walter Pauses “Im steilen Fels und Eis” begangen hat. Walter Pause wäre heuer 100 Jahre alt geworden – Sepp Gwiggner bemerkt nebenbei, dass er mit Mehrfachbegehungen 154 Pausetouren und damit 85 km Wandhöhe als (kleineren) Teil seines Bergerlebens verzeichnen darf!

Hintergrundinformation zum Alpenklub Berggeist

Simon PauseDer Alpenklub Berggeist, der gemäß einer Satzungsbestimmung nicht mehr als hundert Mitglieder haben soll, spielt seit jeher eine Sonderrolle unter den 354 Sektionen des Deutschen Alpenvereins. Dies zeigt sich etwa bei der Bestimmung, wonach nur beitreten kann, “wer von zwei Mitgliedern des Vereins vorgeschlagen wird”. Erst 1996 konnten sich die “Berggeister” – als absolute Nachzügler – dazu entschließen, Frauen aufzunehmen!

Bergsteigerische Leistungen haben zwar seit jeher eine elementare Bedeutung für das Selbstverständnis des AKB, aber ausdrücklich erwähnt die Satzung als Vereinszweck auch “die Vermittlung des Erlebens am Berg durch Wort, Schrift oder sonst künstlerische Gestaltung sowie die Unterstützung alpiner wissenschaftlicher Arbeiten”.

Die “etwas anderen” Regeln haben den Klub zu einem teilweise elitären Kreis gemacht. Der Alpinschriftsteller Walter Pause, selbst mehrere Jahre Vorsitzender, merkte einmal an, dass man aus den “100 Individualisten” zwar “im besten Fall ein interessantes Irrenhaus, doch nie und nimmer einen Verein machen könne.” Spitzenbergsteiger aus allen Epochen des Alpinismus nach dem Zweiten Weltkrieg gehören noch heute dazu: der bekannte Filmemacher Martin Schließler etwa, dem in den 50er Jahren aufsehenerregende Klettertouren gelangen; die beiden sächsischen Kletterer Herbert Wünsche oder Dieter Hasse, die viele ihrer leistungsstarken Freunde in den Verein brachten;

Sepp GwiggnerGünter Sturm, erfolgreicher 8000er-Mann und über Jahrzehnte Chef des Summit Club, stieß 1962 dazu, und zwei Jahre später Pit Schubert, jahrelang “Sicherheits-Papst” der Bergsteiger; in der “Mediziner-Abteilung” finden sich Prof. Erwin Hipp – gelegentlich Seilpartner von Schließler, später u.a. Teamarzt der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft –, der Herzspezialist Hans Borst – gleichfalls zu Zeiten von Schließler und Hipp im Oberreintal unterwegs – und Wolfgang Schaffert, jahrelang Chef der deutschen Berg- und Höhenmediziner; das “name dropping” bei Berggeist schließt Deutschlands renommiertesten Bergfilmer Gerhard Baur ebenso ein wie den Fotografen Jürgen Winkler, den TV-Redakteur Michael Pause, die Reiseautorin Carmen Rohrbach sowie den Autor und Filmemacher Malte Roeper.

Nach der Wende fand der sächsische Ausnahmekletterer Bernd Arnold zum AKB, und 1997 auch die beiden heutigen Alpin-Stars Alexander und Thomas Huber; last but not least gehört auch Hüttenwirt und Allround-Künstler Charly Wehrle zu dem ungewöhnlichen Kreis.

Die “Jungmannschaft” des Klubs heißt Moritz Attenberger (28), Max Bolland (29), Thomas Scherzer (27), Melanie Kuhnke (30) und Thilo Kunzemann (29) – sie können sich allerdings nur eingeschränkt am Klubleben beteiligen, da sie meist tatendurstig in den Bergen der Welt unterwegs sind.

Siehe auch:
Laudatio Silvia Huber – Berggeist 2007 (PDF)
Bernd Kullmann ist der dritte “Berggeist des Jahres”
Hermann Huber ist der zweite “Berggeist des Jahres”
“Bambi des Alpinismus” vom Alpenclub Berggeist an Hermann Magerer vergeben
www.alpenklub-berggeist.de

 
QuelleText & Fotos: Siegfried Weippert, Alpenklub Berggeist