IMS 2014: Berge für alle – oder doch nicht?

Können die Berge für jeden erlebbar werden, unabhängig von Behinderung? Was kann getan werden, um ein barrierefreies Bergerlebnis zu ermöglichen? Im Forum Brixen beim IMS-Kongress kamen am 17.10.2014 neben maßgeblichen Mitgestaltern der Debatte auch Betroffene und Wissenschaftler zu Wort: Mit bewegenden Eindrücken.

IMS 2014: Berge für alle - oder doch nicht? (c) Jürgen Kössler/IMS Ein Moment verändert alles: Der Sturz vom Dach, der Bruch zweier Brustwirbel. Eine Heilung war nicht möglich. "Ich bin wie ein Loch gefallen. Ich konnte es einfach nicht verstehen", berichtet Michael Stampfer, damals 26, heute 38 Jahre alt. Ein Arbeitsunfall, der zur Folge hatte, dass er für den Rest seines Lebens im Rollstuhl sitzt. Doch er will zurück in die Berge und kämpft sich nach oben: Als Monoskifahrer nimmt er zunächst an Weltcups und Europacuprennen teil. Dann 2006 an den Paralympics in Turin, 2010 in Vancouver.Rückblickend waren es besonders prägende Momente für ihn: "Unten standen rund 60.000 Leute und jubelten uns zu. Das war einfach wahnsinnig". Nach dem Karriereende treibt Michael Stampfe weiterhin Sport: Auch dank eines SWISS TRAC, eines motorisch angetriebenen Gerätes, das er vor den Rollstuhl einspannen kann. Die unterschiedlichen Modelle wurden während des Kongresses auch im Forum präsentiert. Sie sollen den Aufstieg auf eine gewisse Höhe für jeden Bergfreund erreichbar machen.

Doch das Gerät allein garantiert noch nicht das barrierefreie Bergerlebnis. Für Johann Kreiter sind vor allem der Wegebau und die Nutzbarkeit der Strecke entscheidend. Dazu gehört vor allem die Ebenheit und Griffigkeit des Weges. Darüber hinaus seien unter anderem auch optische, taktische und akustische Signale hilfreich, um dem Behinderten eine zusätzliche Information und Orientierung zu geben.Erste Ideen haben bereits zur Umsetzung geführt. So gibt es beispielsweise Wanderführer, die die Beschaffenheit des Weges je nach Schwierigkeitsgrad mit einer grünen, gelben oder roten Farbe kennzeichnen. Zudem sind auch zusätzliche Begegnungsflächen und Notduftanlagen mit ausreichend Platz wichtig, damit das Bergerlebnis sicher ist.

Auch heute noch sieht Dr. Dr. Sascha Plangger vom Institut für Erziehungswissenschaften an der Uni Innsbruck Defizite bei der Kommunikation mit Behinderten. Viele Außenstehenden würden Betroffenen vor allem mit Mitleid begegnen. In den Medien werde zudem sehr oft sensationell über Behinderte berichtet, die in den Bergen unterwegs sind. Dabei habe diese Darstellung nichts mit der Realität zu tun.Wichtig sei es stattdessen vor allem, den Einzelnen zu unterstützen und in seiner Freiheit und Teilhabe zu fördern. Als Beispiele fügt Plangger die Möglichkeit an, eine persönliche Betreuung anzubieten, die als Dienstleistung angenommen werden könne.

Das scheinbar Unmögliche möglich gemacht hat Mark Inglis. Der Bergsteiger aus Neuseeland wurde bei einer Bergtour auf den Mount Cook, dem höchsten Berg Neuseelands, von einem Sturm überrascht. Fast zwei Wochen saßen ein Kollege und er in einer Eishöhle fest. Inglis verlor daraufhin beiden Beine, verfolgt seine Leidenschaft jetzt aber mit Beinprothesen weiter. "Mein Sport hat sich nicht verändert", sagt er rückblickend. 19 Jahre nach dem ersten Aufstieg kehrte Mark Inglis zurück zum Mount Cook und schafft den Aufstieg.Doch damit nicht genug: Er will höher rauf, baut sich fortan seine Prothesen selbst aus Carbonfasern. Heute sagt er: "Ich habe durch meine Prothesen eine Chance und Herausforderung erhalten, keine Behinderung". Einen Vorteil habe die Sache schließlich auch: Nachdem ihm beim Abstieg plötzlich die Beinprothese bricht, schraubt er das Bein innerhalb von sechs Stunden wieder zusammen. "Wer kann das schon bei seinem gebrochenen Bein behaupten".

Abschließend befasste sich die Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Technologie und Touristik mit den "Bergen für alle". Fazit der Diskussion ist zugleich Appell und Mutmacher für viele Betroffene: Es soll keine Scheu vor dem Bergerlebnis geben. Für den erleichterten Aufstieg gibt es mittlerweile genug Hilfsmittel, die auch rege genutzt werden.Zwar wird das Thema Behinderung allgemein von allen als relevant eingeschätzt, gezielt beworben wird es von der Südtiroler Touristik aber nicht. Perspektive soll es nach Meinung der Teilnehmer vor allem sein, Südtirol auch im Internet noch besser strukturell aufzustellen, damit begeisterte Freundfreunde bei einer Internetrecherche sofort wissen, dass die Alternativen für eine barrierefreie Wanderung vorhanden sind.

QuelleTimo Gadde, Foto: Jürgen Kössler/IMS