Nun bestimmten andere Kletterer den 'High End'-Bereich der Fränkischen. Interessiert sich Kurt eigentlich noch für das fränkische Klettergeschehen, da er sich – nach eigenen Angaben – schon seit 10 Jahren nicht mehr als kompetent in dieser Hinsicht betrachtet? Und ob! Noch immer beobachtet er die Kletterszene genau und weiß wer wo wann was gemacht hat. "Gestern war ich erst bei dem neuen 8b Boulder vom Markus Bock. Neuerdings sind bei den Bouldern immer so komische Kreuze am Einstieg." Als ich ihn aufkläre, daß dies in der Fränkischen das Zeichen für "Gemacht! Ihr anderen dürft nun auch probieren" ist, kann sich Kurt eines Schmunzelns nicht erwehren. Boulder als Projekte, die kein anderer versuchen darf?

Fotostrecke: Kurt Albert 1999

Fotos: © Martin Joisten

"Nur weil einer mal was Moos weggemacht hat, hat der noch lange nicht das Recht den Fels für sich zu deklarieren. Bei Routen kann ich das ja noch einigermaßen verstehen, da schon allein das Setzen der Haken ein großer Aufwand ist. Ich hab aber noch nie ein Projekt nur für mich beansprucht. Am 'Sautanz' konnte z.B. jeder probieren. Ich hab's halt als Erster geklettert. Und heute weinen manche rum, weil ihnen jemand anders ein Boulder 'weggeschnappt' hat. Das ist ja so, als würde man einem Kleinkind das Spielzeug wegnehmen. Dafür hab ich echt kein Verständnis." sprach Kurt, nahm einen weiteren Schluck aus der x-ten Tasse Kaffee und fing an von den Bouldern in Fontainebleau zu schwärmen. Die wären Balsam für Leib und Seele. Keine Fingerverletzungen, tolle Kletterbewegungen und das beste Training, um sich fit und einen gewissen Standard zu halten. Speziell im Anschluß an ausgedehnte Expeditionen zeigt nämlich seine persönliche Formkurve schon mal nach unten.

Wie hat denn das mit den 'Expeditionen' überhaupt angefangen und warum ist er davon so derart begeistert? Nun – alles begann mit seiner ersten Expedition 1988 ins Karakorum. Hartmut Münchenbach hatte ihn eingeladen daran teilzunehmen und wieder eröffnete sich Kurt eine neue Dimension. Er lernte den "sturen Blick fürs Klettern" zu verlieren und sah die Möglichkeit seine Abenteuerlust zu befriedigen und gleichzeitig Neuland zu betreten. "Auf den Expeditionen mache ich immer wieder große Augen. Es gibt stets etwas neues zu entdecken und noch so viele schöne Felswände auf der Erde, die nur darauf warten, bestiegen zu werden."

Speziell bei den neueren Reisen legte Kurt immer größeren Wert darauf, alles aus eigener Kraft zu erreichen. Mal ging es mit dem Kajak zu den Felsen und mal mußte mit dem Segelboot das berüchtigte Kap Hoorn umschifft werden, um zum erklärten Ziel der Reise zu gelangen. Auch Träger, die Lasten schleppen, sind tabu. Die Expedition wird als große Einheit gesehen, die sowohl die Anreise als auch die Abreise miteinschließt. Daß er durch diese konsequente Verfolgung des Mottos "Alles aus eigener Kraft" zwangsläufig auch mit anderen sportlichen Disziplinen in Berührung kommt, empfindet Kurt als große persönliche Bereicherung.

Als ich ihn nach seinen einzelnen Expeditionen frage, um mir ein genaues Bild zu machen, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Kurt war anscheinend schon überall, sei es im Karakorum, auf Grönland, in Patagonien, Kanada oder auch nur auf Reisen in Indien oder Thailand, wobei man die immer wieder eingestreuten Trips innerhalb Europas oder der USA nicht vergessen sollte. Fast möchte man Kurt einen 'Globetrotter in Sachen Klettern' nennen. "Ich empfinde Reisen als unheimliche Bereicherung im Leben." Wenn man danach geht, ist Kurt wirklich ein reicher Mann.

Dabei stelle ich mir unwillkürlich zwei Fragen:

Wie lange will er das noch so weitermachen und wie finanziert sich Kurt eigentlich? "Solange ich noch gesund bin möchte ich weiterhin reisen und mein Leben wie bisher verbringen. Allerdings weiß ich oft selbst nicht, wie ich mich finanziere. Ich verdiene eigentlich ziemlich unprofessionell mein Geld" und wieder lacht Kurt. Er braucht anscheinend nicht viel Geld zum Leben. Die Wohnung vermittelt den Anschein, als ob sich Kurt von heute auf morgen wieder auf eine Reise begeben könnte, ohne daheim großartige Vorkehrungen treffen zu müssen. Er finanziert sich hauptsächlich über Sponsorengelder von Salewa, Boreal und Gore, über Artikel und Fotos, die er für zahlreiche Klettermagazine erstellt und über seine berühmt-berüchtigten Diavorträge, die ein Erlebnis für sich sind. Ich kann mich noch gut an einen Vortrag von Kurt vor vielen Jahren in Köln erinnern. Das Licht ging aus und Kurt brachte eine "Schote" nach der anderen.

Bald konnte man nichts mehr von dem verstehen, was Kurt aus dem Dunkel des Raumes ins Mikrophon sagte, da der ganze Saal mit Gelächter erfüllt war. Irgendwann fielen die Projektoren aus und nach einem hilflosen "Was ist denn jetzt los?" aus den Lautsprechern, tobte der Saal. Ohne das Licht anzumachen, versuchte Kurt die Projektoren wieder in Gang zu bringen und vergaß dabei das Mikrophon abzustellen. So bekam jeder einen Einführungskurs in die fränkische Sprachvielfalt – die Menge war begeistert. "Ich weiß zwar welche Bilder ich zu den Vorträgen mitnehme, aber habe keinen Zettel mit Stichworten oder so. Ich sehe die Bilder und schon fallen mir die Geschichten dazu ein. Wenn das Publikum dann mitzieht, erzähle ich gerne mehr und überschreite schon öfter mal die vorgesehene Zeit. Es kann also durchaus sein, daß jemand, der dengleichen Vortrag an verschiedenen Orten besucht, vollkommen neue Geschichten hört. Ich weiß das im voraus nie so genau." Das macht aber sicherlich auch den Reiz von Kurts Vorträgen aus. Eines sind sie wahrlich nicht: Langweilig! Eigentlich wäre ich gern mit zu seinen Vorträgen in Spanien gefahren. Bei meinem Besuch war Kurt nämlich gerade dabei, die Vorträge ausnahmsweise einmal zu Papier zu bringen, aber nur um diese mittels Wörterbuch ins Spanische zu übersetzen. Die Gesichter der Iberer hätte ich zu gerne gesehen…

Kann er sich denn nach so viel Ungebundenheit überhaupt noch vorstellen, wieder einmal in seinen angestammten Beruf als Lehrer zurückzukehren? Diese Frage hat er wohl schon das ein oder andere Mal gehört. Vorstellen schon, aber sicherlich nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre. Wenn er eine entsprechende Stelle bekäme, könnte es schon sein, aber im Moment ist dieser Gedanke eher abwegig. Nun – ich hätte sehr gerne einen solchen Lehrer gehabt, denn ich kann mir beim besten Willen keinen besseren Alleinunterhalter als Kurt vorstellen. Seine Späße und Fauxpas sind schon legendär und wen man auch trifft – immer wieder hört man neue Geschichten, wie z.B. diese:

Kurt war einmal mit dem britischen Kletterer Ben Masterson in Fontainebleau. Nach einem langen Klettertag sollte vor dem eigentlichen Abendessen aber erst einmal Baguette und Käse vertilgt werden. Nach kurzer Zeit suchte Ben die Butter und fragte Kurt, ob er diese gesehen hätte. Der schaute sich ein wenig um, fand sie aber nicht. Schließlich stellte Kurt erstaunt fest: "Ich glaub, die hab ich gegessen. Ich hab gedacht das wär der Camenbert." Auch Zitate wie "Ich denk die ganze Zeit ich halt mich an Chalk fest, dabei ist das Vogelscheiße!" sind Evergreens, die man von Kurt kennt, auch wenn man ihm noch nie persönlich begegnet ist.

Auf die Frage, ob er denn den Lesern noch etwas auf den Weg geben möchte, antwortet Kurt spontan "Nehmt es nicht so ernst!" und grinst mich an. Nach einem letzten Schluck des mittlerweile erkalteten Kaffees überdenkt er das Gesagte noch einmal und sieht dabei aus, als hätte er ein neuerliches Paradoxon des Lebens gefunden "Aber eigentlich muß man es ernst nehmen". Auf der Heimfahrt sinniere ich, was "es" wohl ist.

Martin Joisten

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überZeugenaufruf der Polizei Bayern - Präsidium Oberpfalz
QuelleMartin Joisten (Text und Fotos)