Anna Stöhr erklärt ihren Rücktritt vom Wettkampfklettern

Zweifache Welt- und Europameisterin, vierfache Gesamtweltcupsiegerin, Sympathieträgerin und Publikumsliebling: Anna Stöhr hatte eine einmalige Karriere, deren Ende sie in Innsbruck bekanntgab.

Anna Stöhr (c) EXPA/Johann Groder
Anna Stöhr (c) EXPA/Johann Groder

“Ich hatte letztes Jahr schon Rücktrittgedanken. Die Heim-WM in Innsbruck war ausschlaggebend dafür, dass ich weitergemacht habe. Die WM wäre der Abschluss meiner Karriere gewesen und ich war sehr motiviert, auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Im Februar ist mir dann leider ein Bandscheibenvorfall dazwischengekommen. Bis Juli wollte ich mir Zeit geben, um zu entscheiden. Es ist leider eine Tatsache, dass mein Rücken keinen Start bei der WM zulässt, weshalb ich meine Wettkampfkarriere beende”, so die zweifache Ex-Weltmeisterin.

Mit Anna Stöhr beendet eine der herausragenden Sportlerinnen der Klettergeschichte ihre Karriere. Sie machte zum ersten Mal 2004 in Lecco (ITA) auf sich aufmerksam, als sie im Alter von 16 Jahren Vizeeuropameisterin wurde. Sie gehörte damals mit Kilian Fischhuber und Angela Eiter zu einer goldenen Generation, die bald das Wettkampfgeschehen dominierte. 2006 feierte Anna Stöhr in Grindelwald (SUI) ihren ersten Weltcupsieg. 21 weitere Siege sollten folgen. Es war nur ein Rekord von vielen, den die Tirolerin im Laufe ihrer Karriere aufstellte. Vier Gesamtweltcupsiege, zwei Europameistertitel und zwei Weltmeistertitel: Stöhr hat gewonnen, was es zu gewinnen gibt.

Im Jahr 2013 dominierte sie das Geschehen im Weltcup nach Belieben, ein unwiderstehlicher Auftritt folgte auf den nächsten. 2014 kam der für sie wertvollste Moment ihrer Karriere, und wie oft so oft war nicht der Titel ausschlaggebend, sondern die emotionale Komponente: Sie und ihr Lebensgefährte Kilian Fischhuber gewannen am gleichen Tag beide den Heimweltcup am Innsbrucker Marktplatz, ein Erfolg den sie mit ihrer Familie, ihren Freunden und tausenden Fans teilen konnte und der ihr deshalb so viel bedeutete. Nicht nur wegen ihrer sportlichen Erfolge, sondern auch wegen ihrer Auftretens außerhalb der Wettkampfwand war und ist die gebürtige Rumerin eine Symphatieträgerin und das Aushängeschild ihres Sports.

Zuletzt hatte Anna Stöhr öfter mit Verletzungen zu kämpfen, wodurch sie seltener vorne mitklettern konnte. Mit dem Ziel, bei der Heim-WM 2018 in Innsbruck ihre Karriere zu beenden, startete sie zu Jahresbeginn in die Saisonvorbereitung. Im Februar dieses Jahres erlebte sie dann einen herben Rückschlag: Während eines Trainingslagers verletzte sie sich schwer am Rücken, die Diagnose der Ärzte lautete Bandscheibenvorfall. Bis zuletzt versuchte Stöhr, die Schmerzen soweit in den Griff zu bekommen, dass ein Training möglich ist, was nicht gelang. Mit dem Verzicht auf die Heim-WM endet ihre großartige Wettkampfkarriere.

Anna Stöhr blickt nun nach vorne: “Natürlich verspüre ich jetzt eine gewisse Wehmut, weil es endgültig vorbei ist und ich gerne bei der WM dabei gewesen wäre. Es geht ein Abschnitt meines Lebens zu Ende, den ich mir nicht besser hätte erträumen können. Jetzt freue ich mich auf das nächste Kapitel. Ich werde dem Klettersport treu bleiben und vermehrt Projekte am Fels verfolgen. Im Herbst beginne ich in Innsbruck das Probejahr als Englisch- und Sportlehrerin. Dem KVÖ bleibe ich auch erhalten, weil ich meine Funktion als Schriftführerin im Vorstand weiter ausführen werde. Die letzten Jahre war ich als Spezialtrainerin und Betreuerin bei Wettkämpfen der Jugend dabei, das würde ich Zukunft gerne weiterhin machen.”

KVÖ-Präsident Eugen Burtscher bedankte sich im Namen des Kletterverbands bei der Vorzeigeathletin: “Mehr als alles andere verspüre ich große Dankbarkeit. Anna ist die beste Botschafterin, die sich unser Sport hätte wünschen können. Ihre Karriere war einzigartig. Nicht nur sammelte sie mehr als ein Jahrzehnt lang unzählige Titel und Siege. Sie engagiert sich auf vorbildliche Weise im Verband, ob als Spezialtrainerin der Jugendlichen oder als Schriftführerin im Vorstand. Wir können uns glücklich schätzen, eine solche Persönlichkeit weiter in unseren Reihen zu haben.”

QuelleBen Lepesant, Foto: EXPA/Johann Groder