Powerfrau auf Gipfelkurs: Kinga Baranowska

Der Himalaya spielt in der polnischen Bergsteiger-Tradition eine große Rolle. Kein Wunder, dass auch die Karriere der jungen polnischen Bergsteigerin nachhaltig vom höchsten Gebirge der Welt geprägt ist.

Interview mit Kinga Baranowska I Warschau, Februar 2012

Kinga Baranowska"Die Berge sind ein Element, dem man demütig begegnen sollte"


Sie sucht die Herausforderung, aber nicht verbissen, denn sie kann auch loslassen. Sie weiß, dass Arroganz von den Bergen schnell bestraft wird. Ein Grund warum sie es vorzieht Schritt für Schritt auf ihre Ziele hinzuarbeiten, anstatt von vergangenen Erfolgen zu berichten. Ein Gespräch mit Kinga Baranowska, der talentierten jungen Bergsteigerin aus Polen, Neu-Mitglied im SALEWA alpineXtrem Team.

Mit sieben der vierzehn Achttausender hast Du bereits die Hälfte geschafft. Würdest Du sagen, dass es Dein wichtigstes Ziel ist die Krone des Himalaya zu erklimmen?
Ich setze mir ein Ziel nach dem anderen und versuche mich stets auf das nächstgelegene zu konzentrieren. Diese Strategie der kleinen Schritte hat sich als wertvoll erwiesen, wenn es darum geht große Dinge zu erreichen. Es wäre vermessen zu glauben, dass ich glücklicher wäre, wenn ich alle vierzehn Gipfel erklettert habe. Solche Bestrebungen sind nicht gut, denn sie sind verbunden mit psychologischem Druck und zum Klettern braucht man einen freien Kopf. Hin und wieder denke ich natürlich schon an die Krone des Himalaya, aber dann zwinge ich mich selbst zurückzukehren zum Hier und Jetzt. Ich versuche mein Handeln der alten Regel anzupassen, dass der Weg das Ziel sein kann.

Du hast entschieden den alten, klassischen Wegen zu folgen – ist das eine Entscheidung des Könnens oder folgt das einer anderen Strategie?
Eine neue Route auf einen Achttausender zu eröffnen ist sehr schwierig. Ich schätze meine Fähigkeiten realistisch ein und wenn ich absehe, dass ich es schaffen kann, dann wähle ich keine Standard Route. Das war zum Beispiel im letzten Jahr am K2 der Fall (die Basquen Route oder die Cesen Route ist eine Spur links der Abruzzi Spur, der Standard Route, Anm. der Red.). Ich versuche zudem immer die Teams klein zu halten und den Gipfel ohne die Hilfe von Sherpas und Sauerstoffflaschen zu erreichen. Die Berge sind ein Element, dem man sich demütig nähern sollte und ich wähle meine Ziele wohlüberlegt.

Die Leser des Shape Magazins haben Dich 2008 zu einer der Frauen gewählt, die die Welt verändern. Wie hast Du diese Auszeichnung empfunden?
Ich denke der Hintergrund dieser Auszeichnung war die Suche nach Frauen, die sich nicht vor neuen Herausforderungen scheuen, die mutig eigenen Träumen folgen. Ich bin damit einverstanden, dass diese Beschreibung auf mein Profil passt.

Wer unter den Himalaya-Bergsteigern ist für Dich ein Vorbild?

Unter den polnischen Himalaya-Bergsteigern gibt es eine Reihe von hervorragenden Kletterern, die zu Beginn meiner Karriere eine große Rolle für mich gespielt haben. Jeder einzelne dieser Personen hat besondere Qualitäten. Einer davon ist sicherlich Wojtek Kurtyka, ein echter Visionär der viele neue Routen in unterschiedlichen Gebirgszügen auf der ganzen Welt eröffnet hat.Große Wertschätzung habe ich auch für Wanda Rutkiewicz und das was sie als Frau ihrer Zeit erreicht hat – als weltweit anerkannte Bergsteigerin und mit starkem Willen hat sie ihre Ideen umgesetzt. Jurek Kukuczka und Krzysztof Wielicki, die beiden Sportkletterer haben bereits vor Jahren für Rekorde gesorgt und an Piotr Pustelnik bewundere ich die Tatsache, dass er immer wieder ethische Werte und den Code der Himalaya-Bergsteiger hochhält.

Zu Deinen Werten zählt es, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Kannst Du uns ein bisschen mehr zu Deinem sozialen Engagement erzählen?
Besonders wichtig war für mich das Engagement als Botschafterin der "European Special Olympic Games”, die Menschen mit geistigen Handicaps unterstützen. 2010 fand diese besondere Olympiade in Warschau statt und ich habe durch meine aktive Rolle viele wertvolle Erfahrungen gesammelt. Wichtig ist mir auch mein Beitrag zu Motivationstrainings für junge Erwachsene und Waisenkinder. Aufgrund meiner vielen Reisen kann ich hier leider nicht soviel Zeit investieren, wie ich gerne würde. Möglicherweise eröffnet mir die Zusammenarbeit mit SALEWA ein Projekt zu unterstützen, dass sich für die Rechte der Sherpa Frauen im Himalaya einsetzt. SALEWA ist hier bereits aktiv und ich werde prüfen, welchen Beitrag ich leisten kann.

Welche weiteren Vorteile siehst Du in der Zusammenarbeit mit SALEWA?
Ich sehe die Zusammenarbeit als große Chance, um Erfahrungen auszutauschen. Das erlaubt mir auf der einen Seite mich beruflich weiterzuentwickeln und meine Ziele zu erreichen. Auf der anderen Seite kann ich einen wichtigen Beitrag zu den Unternehmenszielen leisten, indem ich meine Erfahrungen in die Produktentwicklung einfließen lasse. Ich freue mich darauf am Design von Produkten mitzuwirken, die den höchsten Ansprüchen professioneller Anwender genügen müssen. Einen Teil davon werde ich für eine Signature Line auswählen und mit meinem Namen zeichnen. Ich bin überzeugt, dass hier eine langfristige Partnerschaft entsteht, die beiden Seiten große Vorteile bringt.

Was sind Deine sportlichen Ziele für dieses Jahr?

Ich will zurück zum Makalu und fortsetzen was ich letztes Jahr nicht beenden konnte. Ich hoffe, dass es mir in diesem Jahr gelingt, den Gipfel zu erreichen. Dennoch weiß ich, dass der Berg die Bedingungen bestimmt, denen ich mich nur anpassen kann. Alles was ich tun kann ist mich nach bestem Wissen und Gewissen vorzubereiten, der Rest ist eine Frage der Möglichkeiten und des Glücks. Letztlich ist meine Arena kein Fußballfeld, auf dem ich jederzeit ausgewechselt werden kann. Die Berge sind ein sehr mächtiges Element und ich weiß und akzeptiere das. Ende März werde ich mich auf den Weg zum Makalu machen. Ein weiteres Ziel in diesem Jahr ist der Shisha Pangma. Wenn die politische Situation in Tibet es erlaubt, dann reise ich im Herbst dorthin. Drückt mir fest die Daumen.

Das Gespräch führte Dawid Hojas.

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QuelleAriane Maria Malfertheiner