In die Breite gegangen: Wie Outdoor-Hersteller die veränderten Maße berücksichtigen

Der menschliche Körper hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert. Das belegt die letzte deutsche Reihenmessung, die so genannte "Size-Germany", ein Projekt vom Textilforschungszentrum Hohenstein und der Ergonomiefirma Human Solutions GmbH.

In die Breite gegangen: Wie Outdoor-Hersteller die veränderten Maße berücksichtigen Um aktuelle Durchschnittsmaße als Grundlage für Konfektion zu bekommen, hat man 2009 mit Hilfe modernster 3-D-Scannertechnologie die Arm- und Beinlänge sowie Hüft- und Brustumfang von insgesamt 13 362 Männern, Frauen und Kindern zwischen sechs und 87 Jahren gemessen. Wie die Outdoor-Industrie darauf reagiert, zeigt die Fachmesse OutDoor vom 12. bis 15. Juli 2012 dem Fachhandel in Friedrichshafen.

Das Projekt-Ergebnis: seit der letzten Messung 1994 haben sich Frauen endgültig vom Schönheitsideal der 60er Jahre, der Wespentaille á la Marilyn Monroe verabschiedet. Der durchschnittliche Taillenumfang hat sich um 4,1 Zentimeter verbreitert, die Hüften um 1,8 Zentimeter und der Brustumfang ist um 2,3 Zentimeter gewachsen. Die letzte Messung der Männer liegt sogar schon 30 Jahre zurück. Deren Taille ist 4,4 Zentimeter breiter geworden, die Hüften 3,6 Zentimeter und ihre Brust 7,3 Zentimeter massiver. Auch die durchschnittliche Größe hat sich verändert: Frauen sind rund 1 Zentimeter, Männern um 3,2 Zentimeter größer geworden.

Auch wenn die Umstellung von Maßen in der Konfektion sehr aufwändig ist, haben namhafte Outdoor-Hersteller sie vor allem in ihren Frauenkollektionen berücksichtigt. Alle wissen, Frauen sind besonders anspruchsvoll, wenn es um Passform geht. Funktionswäsche-Hersteller Odlo, der sämtliche Schnitte im eigenen Haus in Hünenberg, Schweiz anfertigt und kontrolliert, hat auf die neuen Bedürfnisse der Kundinnen reagiert. Die meisten Schnitte sind um 1 – 2 Zentimeter erweitert worden, in den Größen XL und XXL gibt man sogar 3 – 4 Zentimeter zu; also fast eine ganze Größe.

Auch bei Jack Wolfskin arbeitet man standardmäßig mit den Daten von Reihenmessungen. "Die Frauenschnitte, die wir in unserer Kollektionen verwenden, müssen passgenau sein", so Thomas Zimmerling, Senior Manager Communication bei Jack Wolfskin, "sonst gibt es Ärger mit den Konsumentinnen". Aber neben den offiziellen Daten die es am Markt gibt, macht die Marke auch laufend Eigenmessungen und interne Passform-Tests, so dass es nicht zu großen Schwankungen bei den Größen kommt.

Unternehmen, die europa- oder gar weltweit am Markt sind, müssen ihre Größen international anpassen. Gibt es bei Outdoor-Bekleidung spezielle Größen für jedes Land? Nein, das wäre zu aufwändig. Auch wenn landeseigene Marken in der Damen- und Herrenoberbekleidung in Frankreich oder Italien mit anderen Maßen arbeitet, hat das international tätige Unternehmen Jack Wolfskin ein europäisches Mittel gefunden. "Für Europa haben wir nur einen Grundschnitt und unterscheiden nicht zwischen einzelnen Ländern. Vielmehr mitteln wir die Grundmaße der Italiener, Franzosen und Deutschen aus."

Schöffel hat als Outdoor- und Bekleidungsspezialist vor allem im Hosensegment bei Outdoor-Frauen einen Stein im Brett. Dass sie so gut sitzen, ist Ergebnis einer in vielen Jahren entwickelten breiten Größenpalette, die sich an den klassischen Konfektions-, also auch Kurz- und Langgrößen orientiert. Die gelten europaweit. Alle Schnitte werden in der Firmenzentrale in Schwabmünchen entwickelt. "Auch wenn die aktuellen Messungen ergeben haben, dass Menschen generell größer und stärker geworden sind", so Peter Schöffel, "müssen Größenänderungen behutsam vorgenommen werden, um Kundinnen nicht damit abzuschrecken, dass sie plötzlich eine ganze Nummer größere Kleidung kaufen sollen."

Schaut man vom Textil in Richtung "Fußbekleidung" stellt sich hier natürlich auch die Frage nach gut passenden Frauengrößen, wie sich europaweit die Füße in den letzten Jahren verändert haben und wie man das – frauen- und männerspezifisch – in den Schuhkollektionen berücksichtigt. Lowa war eine der ersten Marken, die sich schon in den 80er Jahren mit der Entwicklung frauenspezifischer Leisten für Outdoor-Schuhe befasst hat. Dabei sind die anatomischen Unterschiede der Füße von Frauen im Vergleich zu den Männerfüßen genau untersucht worden. Es ergeben sich folgende Unterschiede: Der Sohlenumriss des Frauenschuhs ist schlanker geschnitten und etwas schmaler, der Rist leicht höher, die Zehenpartie länger und sowohl Ferse als auch unterer Sohlenbereich insgesamt etwas schlanker.

Für Schuhe gibt es wenig fundiertes Datenmaterial. Die letzte Reihenmessung für Füße fand 2009 statt. Es wurden 5 200 deutsche Frauen und Männer vermessen. Das Ergebnis: Füße sind in den vergangenen Jahrzehnten zwar nicht länger, dafür aber auffällig breiter geworden. Die davor letzte Messung stammt aus der DDR von 1966.

Verändern sich bei Schuhen die Maße, ist die Anpassung neuer Leisten sehr viel teurer. Ein neuer Leisten kostet etwa 50 Euro, man spricht bei einer Marke von hunderten von Frauenschuhleisten. Ein erheblicher Kostenfaktor und vielleicht auch der Grund, warum manche Marke mit der Entwicklung frauenspezifischer Leisten lange gewartet hat.

"Frauenfüße", so Heinz Feuerecker, Chef-Designer von Lowa, "aber auch die der Männer haben sich in den letzten 20 bis 30 Jahren drastisch verändert." Das führt er auf das Tragen von Sneakern und Sportschuhen zurück. Er weiß, dass Vorderfüße breiter geworden sind, auch platter und die Ferse generell etwas schlanker. "Wir passen", so Feuerecker, "unsere Leisten den Veränderungen der Füße an, aber nicht laufend. Immer wenn wir ein neues Schuhmodell entwickeln, nehmen wir unsere bewährten Leisten als Grundlage und modifizieren sie. Allerdings tendenziell eher alle 5 und nicht alle 2 Jahre."

Lowa bietet einheitliche Leisten für alle. Noch vor 30 Jahren, so Feuerecker, wäre das nicht möglich gewesen, denn es gab große Unterschiede zwischen den einzelnen, europäischen Ländern und sogar den USA. Doch die Sneaker-Generation hat weltweit Füße egalisiert. Als Lowa 1997 den USA-Vertrieb aufbaute, wussten sie, dass amerikanische Füße grundsätzlich schlanker mit längerem Vorderfuß und Zehenbereich sind. Man entwickelte eigene US-Leisten, die aber schon nach wenigen Jahren passé waren und auch Amerikanerinnen lieber europäische, passgenaue Outdoor-Schuhe kauften.

Die OutDoor 2012 ist von Donnerstag, 12. bis Sonntag, 15. Juli nur für den Fachhandel geöffnet (Donnerstag bis Samstag von 9 bis 18 Uhr und am Sonntag von 9 bis 17 Uhr). Alle wichtigen Informationen zur OutDoor im Internet unter: www.outdoor-show.com.

QuelleFrank Gauß (Messe Friedrichshafen)