DAV-Expedkader am Shivling (c) DAV/Michi Wärthl
DAV-Expedkader am Shivling (c) DAV/Michi Wärthl

Auftakt im Kinderheim

Nach der Landung war der erste Programmpunkt der Besuch eines Kinderheims im Kloster in Dehra Dun: Zusammen mit der Kinderhilfsorganisation KENIAL verteilte das siebenköpfige Team um Kadertrainer Michi Wärthl etwa 100 Jacken und Schuhe an die Kinder.

„Wir wollen der Bevökerung vor Ort etwas zurückgeben, nicht nur nehmen“, meinte Finn Koch zum Engagement für KENIAL. Im Kinderheim in Dehra Dun leben vor allem nepalesische Flüchtlingskinder. „Dieser Besuch hat uns stark beeindruckt und unsere Reise sehr bereichert.“

Nach Übergabe der Hilfsgüter wurden die Kadermitglieder von den einheimischen Mönchen im Kloster herumgeführt und bewirtet.

DAV-Expedkader am Shivling (c) DAV/Michi Wärthl
DAV-Expedkader am Shivling (c) DAV/Michi Wärthl

Fünf Tage bis zum Basecamp

Noch am selben Tag brach das Team zur dreitägigen Busreise nach Gangotri auf. Dort trafen die Jungs ihre Träger, mit denen sie in zwei Tagesetappen an der Gangesquelle vorbei zum Basislager Tapovan am Zusammenfluss von Meru- und Gangotrigletscher aufstiegen. Auf einer malerischen Wiese samt herumliegender Boulderblöcke schlugen sie ihre Zelte auf.

Das Ziel der Expedition war allerdings vom Basislager aus nicht zu sehen: Die Nachwuchsalpinisten hatten vor, sich die Südseite des Shivling genauer anzusehen. Neben dem selten begangenen Südgrat bot die 1200 Meter hohe Südwand Platz für neue Linien.

DAV-Expedkader am Shivling (c) DAV/Michi Wärthl
DAV-Expedkader am Shivling (c) DAV/Michi Wärthl

Südgrat mit viel Pulverschnee

Zunächst erkundete das Team den Zustieg zum vorgeschobenen Basislager (Advanced Basecamp – ABC). Der einst vorhandene Pfad war allerdings der Erosion zum Opfer gefallen. Stattdessen erschwerte viel Blockwerk den Weg – und eine steile und extrem instabile „Psychomoräne“ (O-Ton Martin Feistl). Nichtsdestotrotz konnten die Jungs das ABC auf etwa 4400m unter der Südwand errichten und mit den Touren beginnen.

Bernhard Ertel und Benedikt Saller spurten durch tiefen Pulverschnee Richtung Südgrat bis zu einem Sattel am Beginn der Kletterei. Michi Wärthl, Johannes Kirsten und Teamarzt Bernhard Bliemsrieder verschoben den Highpoint einen Tag später um gerade mal 90 Meter. Beide Seilschaften hatten mit schwerer Spurarbeit und damit verbundener Erschöpfung zu kämpfen. Schließlich entschieden sie sich, zum Basislager zurückzukehren.

DAV-Expedkader am Shivling (c) DAV/Michi Wärthl
DAV-Expedkader am Shivling (c) DAV/Michi Wärthl

Versuch einer neuen Linie in der Südwand

Finn Koch und Martin Feistl versuchten sich gleichzeitig an einer neuen Linie in der Südwand. Am ersten Tag spurte Finn durch ein 800 Meter hohes Couloir, bevor sie ihr Lager nach einer kombinierten 70-Meter-Seillänge auf einem kleinen Sporn errichten konnten. Der nächste Tag bot kombinierte Kletterei, unterbrochen von Schneebändern.

„Da war die Arbeitsteilung klar: Martin klettert, ich spure!“, erklärte Finn. Trotzdem, auf 6000 Metern war Schluss: „Da waren überall nur Granitplatten, überzogen mit Pulverschnee. Das war anspruchsvoll zu klettern, und ein Zelt aufbauen wäre, naja, suboptimal gewesen.“ Da sie langsam voran gekommen waren fehlten die Sicherheitsreserven: „Wir hatten nur Gas und Essen für drei Nächte dabei, aber es war klar dass wir noch mindestens eine mehr gebraucht hätten. Da war für mich Schluss. Meistens passieren Unfälle nach einer Abfolge kleinerer Schwierigkeiten. Wir hatten schon mehrere: Das fehlende Gas, die schweren Rucksäcke, mit denen wir kaum Meter machen konnten, und das härteste Gelände wäre noch gekommen.“

Ein plötzlicher Wetterumschwung während ihres Rückzugs gab den beiden Recht. Wohlbehalten kehrten sie zum Basislager zurück.

DAV-Expedkader am Shivling (c) DAV/Michi Wärthl
DAV-Expedkader am Shivling (c) DAV/Michi Wärthl

Entscheidung für den Westgrat

Nach zwei Pausetagen ging das gesamte Team den Westgrat an. In Vorarbeiten wurde eine Felsstufe auf 5200 Metern mit Fixseilen versehen, außerdem legte das Team ein Materialdepot zwischen Camp 1 und 2 an. Nach einem weiteren Pausetag stieg das Team, diesmal ohne Expeditionsarzt Bernhard Bliemsrieder, erneut zu Lager 1 auf. Finn spurte mit Johannes erneut durch tiefen Schnee zum Materialdepot.

„Da war ich dann aber satt paniert“, beschrieb er die großen Anstrengungen. Am nächsten Morgen hatte Finn mit starken Kopfschmerzen zu kämpfen und entschied sich, alleine entlang der Fixseile zum Basislager abzusteigen. Der Rest des Teams kletterte bis ins Lager 2.

Böse Überraschung am Serac

Am Gipfeltag wartete die Schlüsselstelle auf das Team: Ein hochhaushoher Serac (=Turm bzw. Steilstufe aus Eis) versperrte den Weg. Martin stieg vor: „Ich bin an den Serac ran und die ersten Züge hoch, da kracht auch schon ein zwei Kühlschränke großer Block herunter.“ Benedikt Saller am Stand konnte zwar in Deckung gehen, doch der Eisschlag hat ein Eisgerät und ein Seil mitgerissen.

„Bernhard hat sich dann entschieden ins Lager 2 zurück zu gehen und auf uns zu warten. Ihm war das Risiko zu hoch. Aber auch mir war klar, das ist jetzt hop oder top.“ Durch sehr prekäres Gelände führten Martin und Benedikt über den Serac, dann hatten die Bergsteiger nur noch die 400 Meter hohe Gipfelflanke vor sich. Doch die hatte es in der Höhe in sich: „Das war 30 Schritte gehen, drei Minuten Pause. Und wieder von vorne. Und es war die ganze Zeit am Westgrat echt satt kalt. Michi sagte dazu, an den niedrigen 8000ern hat er schon weniger gefroren“, erinnert sich Martin.

Dennoch erreichten sie zu viert den Gipfel. Anschließend stiegen sie bis ins Lager 2 ab. Nach einer letzten Hochlagernacht kehrten sie zum Basislager und am nächsten Tag nach Gangotri zurück. Dabei trugen die Jungs den Müll selber aus den Bergen hinaus.

Facts zur Expedition am Shivling

  • Expeditionsteilnehmer: Michi Wärthl (Trainer), Bernhard Bliemsrieder (Expeditionsarzt), Bernhard Ertel, Martin Feistl, Johannes Kirsten, Finn Koch, Benedikt Saller
  • Expeditionsziel: Shivling (6543m) im indischen Garhwal Himalaya
  • Anreise: Zunächst Treffen mit der Kinderhilfsorganisation KENIAL in Dehra Dun, dann über Rishikesh mit Fahrzeugen nach Gangotri, von dort zu Fuß bis zum Basislager Tapovan am Nordausläufer des Berges
  • Geplante Touren: Wiederholungen und Erstbegehungen auf der Südseite und am Südgrat
  • Tatsächliches Ziel: Wegen schlechter Verhältnisse rückte der Westgrat schließlich in den Fokus.
  • Der Erfolg: In drei Tagen gelangten Martin Feistl, Johannes Kirsten und Benedikt Saller mit ihrem Trainer Michi Wärthl am 14. Oktober zum Gipfel.
  • Schwierigkeiten am Westgrat: Offizielle Angabe gibt es nicht, das Team schätzt M5, WI4.
  • Alle Expeditionsteilnehmer landeten am 19. Oktober wohlbehalten in Deutschland.
QuelleDeutscher Alpenverein, Fotos: DAV/Michi Wärthl