Interview:

Die Beschreibungen der Boulder und Routen klingen fast so, als könnten sie auch in der Fränkischen Schweiz stehen. – Gibt es Parallelen zwischen dem Klettern im Allgäu und dem im Frankenjura?

Was Länge und Charakteristik der neu erschlossenen Gebiete anbelangt trifft das durchaus zu. Das Konglomeratgestein im Allgäu weist zwar weniger Fingerlöcher und dafür mehr Leisten und Zangen auf, aber Kletterer, die sich in der Fränkischen wohl fühlen, dürften auch mit den Allgäuer Felsen gut zurechtkommen. Im Allgäu gibt es natürlich eine deutlich geringere Zahl an erschlossenen Felsen, alles konzentriert sich auf einige wenige Gebiete.

Wie beurteilst du nach deinen Wiederholungen die Bewertungsvorschläge der Erstbegeher?

Jagun zu bewerten fällt mir sehr schwer. Bei einer Länge von – mit Zwischengriffen – fünf Zügen spielt vermutlich der “Liegfaktor” eine große Rolle. Boulderer mit mehr Körpergröße dürften es jedenfalls etwas leichter haben. Vielleicht ist der Boulder für meine Größe 8b+, für jemanden mit 1,80 m oder mehr dann 8b. Verglichen mit meinem Boulder 1st Class TickIt! finde ich die Gesamtanforderungen bei Jagun etwas geringer, aber solche Einschätzungen sind immer sehr subjektiv.

Eine Route wie Frontman Deluxe kann ich mit nichts vergleichen, was ich bisher geklettert bin. Zwei Boulder im Grad 8a/8a+ hintereinander zu klettern und dabei auch noch die Zwischensicherungen einzuhängen, das ist für mich recht neu und daher schwer zu bewerten. Gehe ich aber davon aus, dass mir die Art der Kletterei wirklich liegen sollte, da ich mich ja überwiegend an dieser Art von Griffen bewege, finde ich die Bewertung eher vorsichtig gewählt. Da der für mich schwerste Zug aber ein Spannweitenproblem an einem für mich etwas zu schmalen Loch darstellt, könnte ich mir durchaus vorstellen, mit ungünstigen Voraussetzungen gekämpft zu haben.

Du hast einige neu erschlossene Gebiete erwähnt. Tut sich im Südwesten etwas in der Hinsicht?

Dieses Jahr wurden von meinem Bruder Christian zwei neue Felsen mit eher kurzen, maximalkräftigen Routen eingebohrt. Durch die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten sind hier eine ganze Menge schöner Linien entstanden. Auf den ersten Blick erscheint alles etwas verwirrend, beschäftigt man sich jedoch eingehender mit den Routen, findet man sehr schöne Zugkombinationen, die allesamt auch logisch sind. Vor allem die Jesuswand bietet eine Menge neuer Routen von 8a+ bis 8c/8c+ mit bis zu 15m Länge.

Auch “ältere” Gebiete wie Tiefenbach bei Oberstdorf erhalten ständig neue Linien. Hary Röker ist hier als einer der Haupterschließer zu nennen – ständig aktiv auf der Suche nach Neuland. Vor allem in den oberen Schwierigkeitsgraden hat sich dieses Jahr eine Menge getan im Allgäu.

Warst du auch aktiv beim Erschließen neuer Routen?

Bisher habe ich leider nur Zeit gefunden, die meisten neuen Routen und Boulder in der Region zu wiederholen. Ich bin beruflich momentan stark eingespannt und da kommen mir die neuen Herausforderungen “vor der Haustür” sehr gelegen. Sofern die Witterungsbedingungen es zulassen kann ich so trotz Arbeit noch täglich ein paar Stunden am Fels verbringen und mich auf zukünftige Projekte vorbereiten.

Ist das Allgäu auch für Nicht-Locals empfehlenswert und rechtfertigt auch eine längere Anreise?

Ich bin der Meinung, die Gebiete hier sind durchaus eine gute Alternative zum Frankenjura. Wir haben zwar nicht ganz die Vielfalt an Möglichkeiten, aber es ist ja auch nicht immer die Quantität, die zählt…

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QuelleAndreas Bindhammer, Fotos: Axel Oeland