Erstbegehung von Peter Keller und Urs Odermatt auf Telendos

Für angepasste Mitteleuropäer scheinen diese Probleme noch überschaubar. Aber als wir wie üblich unsere Bolts in der Glaros Bar abholen und dafür 21Prozent Mehrwertsteuer bezahlen sollen hört auch für uns der Spaß auf. Die Versuchung, diese Abgabe mit ein paar Kniffs zu umgehen ist groß und unsere griechischen Freunde sind sich einig: “Niemand kann einen Griechen dazu zwingen Steuern zu bezahlen!”

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Doch bei Politik halten wir uns raus. Schließlich sind wir neutrale Schweizer und als Rosinenenpicker bekannt. Und genau das haben wir vor. Nur der beste Fels ist uns gut genug. Nachdem die Route “Wings for Life” (siehe www.wingsforlife.com) in nur 2 Jahren fast 400 mal wiederholt wurde scheint es an der Zeit eine weitere Mehrseillängentour auf Telendos, der kleinen Nachbarinsel von Kalymnos, zu eröffnen. Finanziert wird das Projekt vom britischen Hartwarenhersteller Wild Country, womit der Name schon klar ist bevor wir überhaupt wissen an welcher Wand wir den Bohrer ansetzen werden.

Unser Basecamp richten wir im Hotel Porto Potha in Telendos ein. Der perfekte Platz wenn man seine Ruhe will und mit hauseigenem Swimmingpool, falls einem die 2 Minuten zum Strand zu weit sind. Wie jedes Jahr fährt uns Iannis, unser Kapitän um die Insel herum.Der Plan ist einfach, wir suchen eine möglichst lange Route in perfektem Fels mit kurzem Zustieg und moderaten Schwierigkeiten. In der rund 3Kilometer langen Südwand von Telendos ist unsere eigene Linie “Wings for life” noch immer die einzige Route durch die Wand. Etwa 250m links davon, dort wo die Wand am höchsten ist, werden wir fündig.

Wie immer gehen wir das ganze in unserem eigenen, mittlerweile bewährten Stil an. Zuerst klettern wir die Route von unten mit spärlichster Absicherung durch. Bei einem kühlen Mythos im Kaffee Navtikos diskutieren wir dann ob wir uns die ganze Putzarbeit wirklich antun sollen oder ob wir den restlichen Urlaub nicht besser beim Sportklettern verbringen möchten.

Wie so oft nach ein paar Bierchen verlässt einen die Vernunft und schon am nächsten Morgen stehen wir mit Bohrmaschine, Brecheisen und Reisbesen auf dem Schiff, klar zum Anlegen. Es ist entwürdigend für einen Bergführer mit einem Besenstiel in der Hand anstelle eines Eispickels auf einen Berg zu steigen. Aber Routen putzen muss man halt von oben nach unten, und wenn wir schon mal da sind können wir auch gleich noch ein Paar zusätzliche Bohrhaken setzen.4 Tage Später, zermürbt und von der harten Arbeit gezeichnet hängen wir bei Steve in der Glaros Bar. Steve hatte den Auftrag 2 Fotomodels für uns zu organisieren um die zwischenzeitlich blitz blank geputzte Route noch ins richtige Licht zu stellen. Und wie wir wissen ist auf Steve verlass.

Mit Tanja Mansuka von der Nadir Rock Bar und Monica Sanchez, der besten Masseurin rund ums Mittelmeer haben wir eine tolle Truppe für die erste Wiederholung bereit. Tatsächlich macht der Durchstieg in einem Zug großen Spaß und die Mädels freuen sich darüber, der Tour die erste Team on sight Begehung abgerungen zu haben. Bis wir uns im Gipfelbuch eintragen wollen.Da sind uns doch tatsächlich 3 Engländer zuvorgekommen und haben sich den ersten Durchstieg an unserem Ruhetag geschnappt. Unglaublich, da erzählen sie einem jeden Abend dass die schönsten Klettereien in Yorkshire zu finden sind und trotzdem treffen wir die Herren regelmäßig in Griechenland. Wie auch immer, die Tour gefällt und schon nach einer Woche wird sie rund 20! Mal wiederholt.

Der griechische Führerautor Aris Theodoropoulos spricht schon von einem Bestseller. Ob er damit unsere Route, oder seinen neuen Kletterführer der im Oktober erscheint meint ist jedoch nicht ganz klar. Sicher ist dass die Route regelmäßig begangen wird, für viele Puristen viel zu viele Bohrhaken hat, für Plaisierkletterer zu sandig ist und dass auch hier zahlreiche Begeher über den Abstieg fluchen werden.Nach diversen Protesten betreffend unserer Zeitangabe von “Wings” schlagen wir bei Wild Country eine Abstiegszeit von 30 Minuten bis zu einer Nacht vor. Denn auch das erste unfreiwillige Biwak hat diese Tour zwischenzeitlich schon gesehen.

Wer jedoch schon einmal von einem Berg runter ging wird keine Mühe haben und schon am frühen Nachmittag in der Nähe des neuen Sektors Glaros vorbeikommen. Wie der Name schon sagt wurde diese fabelhafte Wand von der Glaros Bar in Masouri finanziert. Es ist mit Sicherheit die kühlste Wand in der Region und sogar im Hochsommer trifft man perfekte Verhältnisse in den schweren Touren.Einzig wenn der Wind vom Meer her weht können sich einzelne Routen unangenehm schmierig anfühlen. Dafür gibt es hier von 5a bis zur 8b+ alles direkt nebeneinander. Und weil Peter mit Barabuk und ich mit Storm PU noch eine Rechnung offen haben werden wir die Route Wild Country wohl noch ein paar mal gehen müssen. Sieht euch also vor was ihr ins Wandbuch rein schreibt.

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QuelleUrs Odermatt