Erstbegeher Interview Tony Yaniro:

Tony Yaniro (c) Rainer EderWie hast Du "Grand Illusion" entdeckt?
Wir waren immer auf der Suche nach neuen, noch schwierigeren Routen; aber als wir sie dann gemacht hatten, waren sie gar nicht mehr schwierig. Wir suchten immer nach dem nächsten Schritt, der uns in eine neue Dimension der Schwierigkeiten bringen sollte. Eines Tages – ich war noch in der Schule – kam ein Freund zu mir und sagte: “Wir haben es gefunden! Es heißt Fracture Roof!!”.Wir nichts wie ins Auto und hingefahren! Doch als wir unter dem Fels standen, waren wir ernüchtert. Zuerst wussten wir nicht, wie wir das Monster überhaupt klettern sollten, als Piaz oder als Fingerriss, als Dach oder Verschneidung? Und deshalb nannten wir es auch "The Grand Illusion". Du musst wissen, dass damals in Amerika im JojoStil geklettert wurde, was eine ziemliche Einschränkung der Möglichkeiten war.

Was bedeutete dieser Stil genau?
Wenn du stürzt, dann musst du dich sofort zurücklassen auf den Boden, du darfst nicht einmal hinschauen, wie es weitergeht. Runter auf den Boden und neu starten. Das sogenannte "Hangdogging", also aus dem Hängen Kletterbewegungen auszuprobieren oder gar zu lernen, galt als schlechter Stil und war absolut verpönt.

War das nicht eine extreme Einengung der eigenen Möglichkeiten?
Natürlich war es das! Und deshalb gab es auch einige, die gegen diese Kletterregeln rebellierten – Ray Jardine, Max Jones oder Mark Hudon zum Beispiel. Die setzten sich über alle Regeln hinweg und übten Kletterstellen aus dem Hängen. Und sie sagten allen, dass sie das auch machen sollten, denn dann könne man viel schwerere Sachen klettern. Es herrschte damals ein regelrechter Krieg zwischen den beiden Lagern. Wenn du einen

Wieso kam es eigentlich dazu?
Damals lebten die amerikanischen, vor allem die kalifornischen Kletterer wie auf einer Insel. Sie wollten gar nicht wissen, was anderswo auf der Kletterwelt passiert. Sie dachten, sie seien die besten Kletterer der Welt und schauten abschätzig auf alle anderen Kletterer herab. Aber sie standen sich selbst auch im Weg! Immer sagten sie nur: “Die Tour heb' ich mir auf bis ich sie flashen kann.” Und statt klettern zu gehen, saßen sie im Camp IV herum, rauchten Pot und redeten nur übers Klettern. Aber wir wollten klettern, jeden Tag möglichst schwer klettern!

Warum hast Du Dich bei "Grand Illusion" über die Regeln hinweggesetzt?
"Grand Illusion" war für mich das erste große Experiment im "Hangdogging". Ich weiß es noch genau! Als ich das erste Mal stürzte und mein Freund mich runterlassen wollte, da sagte ich: "Warte!". Ich fingerte im Riss über mir herum und fragte mich gleichzeitig: "Bin ich jetzt ein böser Bub?"Aber ich wollte das Ding einfach klettern und konnte es nur, indem ich die Stellen auswendig lernte. "Grand Illusion" war damals schwierigkeitsmäßig ein Riesenschritt nach vorne, der mir im traditionellen Stil nicht möglich gewesen wäre. Du musst wissen, das Schwierigste beim Klettern ist es, eine Tour zu finden, die richtig sackschwer ist, aber auch nicht gleich unmöglich – und bei "Grand Illusion" hatte ich das Glück, genau die Tour zu finden!

Hast Du ganz gezielt auf diese Tour trainiert?
Natürlich! Ich habe mir die einzelnen Klemmstellen zu Hause aus Holz nachgebaut und diese immer wieder trainiert. Und wenn ich dann wieder in der Route kletterte, fielen mir die Stellen auf einmal gar nicht mehr so schwer. Nach zwei, drei Versuchen am Fels war die Haut kaputt, und ich musste wieder nach Hause. Deshalb baute ich mir die Züge nach und trainierte daheim.

Wie viele Sicherungen hattest Du bei Deinen Durchstieg?
Insgesamt hatte ich drei Sicherungen auf die zwölf Meter; aber ich legte oben nichts mehr und hab' nur noch Gas gegeben, es war ein ordentlicher "run out" (lacht).

Damals war mit 5.12 Schluss; Du hast "Grand Illusion" ganz provozierend mit 5.13+ bewertet, warum?
Ganz einfach! "Grand Illusion" war um so viel schwerer als alle anderen damals existierenden Routen in Kalifornien, dass mir gar nichts anderes übrig blieb. Und es hat sich ja auch gezeigt, dass ich da nicht ganz falsch lag.

Du hast ja noch sehr viele weitere Erstbegehungen gemacht, warum ist ausgerechnet "Grand Illusion" weltweit bekannt geworden?
"Grand Illusion" war damals eine von vielen Routen, aber eine solch besondere Kletterei bekam auch besondere Aufmerksamkeit. Es lag natürlich auch an der Bewertung und am Stil, wie ich die Tour gemacht hatte. Es gab einen riesigen Aufruhr darüber in der amerikanischen

Warum hast Du mit dem Klettern aufgehört?
Ach, irgendwann fühlte ich, dass nichts mehr vorwärtsging. Viele meiner Freunde hatten mit dem Klettern aufgehört, und mir gingen auch die ganzen Ethik Diskussionen und Streitereien auf den Geist. Da machte ich eben andere Sachen, bei denen ich mich weiterentwickeln konnte, ich fuhr einige Jahre Mountainbike und Skilanglaufrennen, was nicht heißen soll, dass ich überhaupt nicht mehr geklettert wäre, aber ich legte meine Schwerpunkte auf andere Dinge.

Aber Du kletterst heute wieder?
Ja, das war ganz seltsam! Es war 1988, als in Snowbird der erste KletterWeltcup stattfand. Da riefen mich die Veranstalter an und fragten, ob ich nicht zusammen mit Ron Kauk auch mitmachen wollte. Klar, Ron und ich fuhren hin. Ich kletterte zum ersten Mal an einer künstlichen Wand, hatte überhaupt nicht trainiert und nach ein paar Metern war natürlich Schluss (lacht). Aber zu sehen, wie diese Europäer buchstäblich die Wände hinaufschwebten (Patrick Edlinger düpierte damals die gesamte Weltelite mit seinem unnachahmlichen Kletterstil, Anm. d. Verfassers) war für mich eine Inspiration.Ja, das ist Klettern, wie ich es mir immer vorgestellt hatte! Einfach großartig, was die Burschen machen – hangdogging, Routen von oben einrichten und grenzwertig schwer klettern. Und plötzlich war ich wieder total begeistert fürs Klettern. Damals lebte ich in Idaho und fuhr öfter nach Smith Rocks, trainierte wie besessen und nach ein paar Wochen konnte ich wieder so schwer klettern wie zu der Zeit, als ich aufgehört hatte. Und dann haben wir ständig neue Routen eingebohrt, manchmal fünf, sechs Routen an einem Wochenende!
Noch eine Frage: Was ist eigentlich "The Yaniro Move" und wie kam es dazu?
Ja, ich war erstaunt zu hören, dass das heute so heißt! Ich war mit Lynn Hill und ein paar anderen in Buoux und wir wollten die berühmte Route "Choucas" klettern. Damals war der Schlüsselgriff noch nicht ausgebrochen, aber es war ein ewig langer Zug zum nächsten Griff.Ein Freund von mir – Darius Dazine aus Smith Rocks, ein Superkletterer, der immer Neues ausprobiert hat – hatte mir mal von dem "Figure four" erzählt (Knie über die Hand legen, heute beim Eisklettern eine übliche Stilform, Anm. d. Verfassers), und als Scott Franklin und ich in Apt am Campingplatz über die Schlüsselstelle von "Choucas" diskutierten, kam uns die Idee, diesen "figure four" dort auszuprobieren. Und es funktionierte!Scheinbar hatte mich jemand dabei fotografiert, und in irgendeiner Kletterzeitschrift wurde das Bild veröffentlicht. Seitdem reden alle vom "Yaniro Move". Aber ich hab' den nicht erfunden, sondern nur verwendet (lacht).

Was möchtest Du den jungen Kletterern noch sagen?
Es muss immer weitergehen. Sucht euch Ziele, sucht euch Projekte! Das bringt Motivation. Und seid fokussiert, das bewirkt Wunder! Nur wenn ihr Ziele habt, könnt ihr besser werden.

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QuelleAndreas Kubin, Fotos: Rainer Eder, Heinz Zak