IMS 2012: Attraktive Arbeitsplätze und funktionierende Sozialstrukturen stoppen Abwanderung

Wie die Abwanderung in großen Teilen der Alpen gestoppt werden kann, darüber haben Experten aus dem In- und Ausland auf dem Bergfestival IMS in Brixen diskutiert. Dabei wurde klar: Es braucht attraktive Arbeitsplätze und funktionierende Sozialstrukturen.

IMS 2012: Attraktive Arbeitsplätze und funktionierende Sozialstrukturen stoppen Abwanderung Während in den Ostalpen die Bevölkerung kontinuierlich abnimmt, ist in den Westalpen seit einigen Jahren eine wenn auch nur leichte Bevölkerungszunahme festzustellen.  Das gilt auch für die Schweiz, die nur in einigen wenigen Randtälern und Gemeinden mit der Abwanderung zu kämpfen hat. Ein Grund liegt für Thomas Egger, dem Direktor der schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete, in der Schaffung von attraktiven Arbeitsplätzen.

"Uns ist es gelungen, auch im Ländlichen Raum Unternehmen, teilweise sogar aus Hightech-Branchen wie der Biomedizin, anzusiedeln. Das ist aber nur möglich, wenn eine funktionierenden Verbindung zu den urbanen Zentren besteht." Zwar gebe es in der Schweiz auch Unternehmen, die sich auf 2.000 m Meereshöhe angesiedelt haben, diese seien aber die Ausnahme.

Auch für Vittorio Forato vom Bergschuhhersteller AKU biete der Ländliche Raum einen attraktiven Rahmen für viele Unternehmen, der besser kommuniziert werden müsste. Zudem würde gerade die Krise den Ländlichen Raum wieder attraktiv machen. Eine Stärke seien zudem die im Vergleich zur Stadt niedrigeren Grundstückspreise.  

Größere Probleme als mit der Ansiedelung von Unternehmen selbst gab es laut Egger bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. "Wir hatten keine Schwierigkeiten, gut ausgebildete Fachkräfte zu finden. Das Problem waren viel mehr die Ehrfrauen, die, wie sie sagten, nicht zwischen Kühen wohnen wollen. Daher müssen wir viel stärker den Wert des Ländlichen Raumes als Lebens- und Freizeitraum kommunizieren", machte Egger deutlich. Klar müsse auch sein, dass es im Ländlichen Raum mehr kulturelle Angebote brauche. "Nur die schöne Natur ist zu wenig."

Einig waren sich die Experten, dass attraktive Arbeitsplätze alleine nicht reichen. "Was wir brauchen, ist auch die passende Berufsausbildung vor Ort. Es macht wenig Sinn, dass die Jugendlichen Berufe erlernen, die vor Ort nicht benötigt werden. Hier ist die Berufsbildung gefordert, die richtigen Berufsbilder zu fördern. Denn wenn die Menschen im Ort bleiben können, ist auch weniger Zuwanderung von außen nötig."

Dass Südtirol im Ländlichen Raum erfolgreich ist, darauf haben Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner und der Präsident des Gemeindeverbandes Arno Kompatscher hingewiesen. "In der Landwirtschaft haben wir viele Angebot im Zu- und Nebenerwerb, wie den Urlaub auf dem Bauernhof, die Direktvermarktung, Bauernmärkte, Schankbetriebe und in Kürze auch das bäuerliche Handwerk. Diese ermöglichen den Bauern, am Hof zu bleiben", so Rinner.

Kompatscher wies auf die Wichtigkeit sozialer Einrichtungen für eine hohe Lebensqualität im Ländlichen Raum hin, wie Kindergärten und Tagesmütter, Schulen, Musikschulen, Vereine usw. Auch die Nahversorgung, Dienste wie der Postdienst oder eine funktionierende ärztliche Versorgung seien wichtig. Daher machte sich Kompatscher auch für weitere finanzielle Unterstützungen des Ländlichen Raumes stark. Verbesserungspotential sah Kompatscher im Angebot schneller Internetverbindungen.

Als Chance sahen Federica Corrado und Maurizio Dematteis die "neuen" Einwohner: Rentner, Kreative, die sich bewusst für ein Leben auf dem Land entscheiden, Saisonarbeitern, Rentner und Ausländer, meist Nicht-EU-Bürger. "Ein großer Teil der Bevölkerungszunahme in den Westalpen geht auf diese Gruppen zurück. Sie können helfen, den Ländlichen Raum lebenswert zu halten. Denn dafür braucht es Menschen."

Eine ganz zentrale Rolle komme dem Tourismus zu, wies Dematteis hin. "Der Tourismus ist der Motor des Ländlichen Raumes. Allerdings nicht mehr der traditionelle Tourismus. Vielmehr müssten die Touristiker heute auf die neuen Bedürfnisse der Gäste eingehen. Wandern im Sommer sowie Skifahren und Snowboarden alleine sind zu wenig. Auf diese neue Herausforderung muss der Tourismus eine Antwort geben."

Fazit der Tagung: Der Ländliche Raum hat Zukunft, sofern er seine Chancen nutzt und den  Wert des "Landes" besser kommuniziert.  

Der International Mountain Summit gehört mittlerweile zu den renommiertesten Bergfestivals der Welt und hat zwischen dem 20. und 27. Oktober 2012 wieder Top-Bergsteiger wie Reinhold Messner, Edurne Pasaban, die Pou und Favresse Brüder, sowie Experten aus aller Welt nach Brixen in Südtirol gebracht. Informationen und Fotos der Veranstaltungen unter www.ims.bz

QuelleChiara Agreiter (IMS), Foto: Manuel Ferrigato