Bei seinem ersten Versuch 2009/10 wurden Lama und sein damaliger Partner Daniel Steuerer förmlich aus der Wand geblasen. Das Patagonische Schlechtwetter traf sie mit voller Wucht. In über achtzig Tagen, die sie vor Ort waren, konnten sie lediglich drei verzweifelte Versuche starten. Keine einzige Seilschaft erreichte in dieser Saison den Gipfel. Zudem geriet Lama ins Kreuzfeuer der Kritik. Fixseile und Haken, die für ein Kamerateam platziert wurden, konnten aufgrund von anhaltenden Schlechtwetters nicht gleich aus der Wand geholt werden. Auch im darauf folgenden Jahr schien Lamas Vorhaben unter keinem guten Stern zu stehen. Der Traum vom Freiklettern schien erneut an der Granitwand und an den miserablen Wetterverhältnissen zu zerplatzen. Lama und sein neuer Partner Peter Ortner erreichten gegen Ende ihres Aufenthaltes den Gipfel in technischer Kletterei, der Freiklettererfolg scheiterte aber erneut.
Gerade als Lama 2012 für seinen dritten Versuch in Patagonien ankam, wurde der von Mythen umwobenen Historie des Berges ein weiteres kontroverses Kapitel hinzugefügt. Dem Amerikaner Hayden Kennedy und dem Kanadier Jason Kruk gelang im Januar 2012 die erste technische Begehung ohne die historischen Haken von Cesare Maestri. Im Abstieg schlugen sie nach ihrer erfolgreichen Besteigung über hundert der historischen Haken aus der Wand. Während in der Kletterwelt über die Tat der beiden Nordamerikaner heiß diskutiert wurde, schien Lamas Traum von einer freien Begehung endgültig geplatzt zu sein, wollte er sich doch an eben diesen Bohrhaken sichern.
Als aber nun das Wetter endlich stabil genug für einen Versuch in freier Kletterei war, stiegen Lama und Ortner trotzdem in die Wand ein. Durch die abgeschlagenen Haken erwies sich ihr Vorhaben nicht nur als noch schwieriger, sondern auch als gefährlicher. In 24 Stunden Kletterei und einem eiskalten Biwak in den Eistürmen des Cerro Torre gelang es dem Ausnahmekletterer einen frei kletterbaren Weg durch die senkrechten Granitwände zu finden. Einige Male stürzte David ins Seil, konnte aber schließlich alle Seillängen frei durchsteigen und seinen großen Traum realisieren.
Zur Historie des Cerro Torre
1952 galt der Cerro Torre in Bergsteigerkreisen noch als unmöglicher Berg, über die nächsten 60 Jahre sollte der Berg Schauplatz tragischer und alpinhistorischer Ereignisse werden:
Alle Besteigungsversuche des Berges scheiterten kläglich, bis 1959 der Italiener Cesare Maestri eigenen Angaben zufolge den Gipfel gemeinsam mit seinem Partner Toni Egger erreichte. Beim Abstieg fand Toni Egger den Tod, Beweise für die erfolgreiche Besteigung gab es keine. Maestri's abenteuerlicher Bericht wurde bezweifelt, andere Bergsteiger scheiterten, erklärten den Berg weiter für unbezwingbar und Maestri für einen Lügner.
Um seine Ehre wiederherzustellen, kehrte Maestri 1970 zurück und erzwang die Besteigung in einem größenwahnsinnigen Gewaltakt: Mit Benzinaggregat und Bohrkompressor arbeitete er sich den mehr als tausend Meter hohen Granitturm hinauf. Der Aufschrei der Bergsteigergemeinde war enorm, der Berg galt seither als vergewaltigt.
Trotz der Kontroverse war die so genannte Kompressoroute seither die am meisten begangene Route am Cerro Torre. Sie gilt nach wie vor als Schandmal des Alpinkletterns und wird trotz der Bohrhaken nie so "leicht" sein wie ein normaler Achttausender.
Zur Person
David Lama gilt als Vorreiter einer neuen Generation von Alpinisten. Bereits im Alter von sechs Jahren erkannte Everest Legende Peter Habeler das unglaubliche Talent des Jungen und schon früh eilte dem Sohn eines Nepalesischen Sherpas und einer Tiroler Krankenschwester der Ruf eines Wunderkindes voraus. Bereits mit fünfzehn stieg David in den Kletterweltcup der Erwachsenen ein und war bald der jüngste Weltcupsieger der Geschichte. In den letzten Jahren legte er seinen Fokus immer mehr auf die großen Wände der Welt. Neben der Wiederholung der schwierigsten Routen der Alpen und einer Erstbegehung im Himalaja ist die erste freie Begehung des Cerro Torre sein bisher größter Erfolg.