Interview mit Lisa Knoche ? Bronzemedaillegewinnerin bei der Jugend-WM 2006

SonntagDie Freisingerin Lisa Knoche hatte 2005 national alles abgeräumt, was es für sie zu holen gab: Deutsche Meisterin bei den Damen im Lead & Speed, Gesamtsiegerin des deutschen Sportklettercups, Deutsche Bouldermeisterin Senioren, Deutsche Meisterin bei der Jugend A – es gab national einfach kein Treppchen ohne ihre Beteiligung…

Daneben schnupperte Lisa in den Damen – Weltcup hinein und holte sich bei einem ersten Ausflug in das Speedklettern gleich einen 7. Platz bei der Weltmeisterchaft in München und einen 6. Platz bei den Worldgames in Duisburg. Auch in diesem Jahr ging die Formkurve stetig nach oben: Ein 15. Platz beim Weltcup in Dresden und schließlich der verdiente Podiumsplatz bei der Jugend-WM in Imst (A). Grund genug, um Lisa nach dem Geheimnis ihre Erfolges und einigem Anderen zu fragen:

Letztes Wochenende hast du mit deinem dritten Platz bei der Jugend-WM in Imst endlich auch einmal den lange verdienten internationalen Podiumsplatz bei einem großen Event erreicht – nach dem 3. Platz beim EYC in Danzig vor vier Wochen hatte sich deine Form ja schon angedeutet – bist du zufrieden mit deinem Abschneiden in Imst?

Mit meinem 3.Platz bin ich natürlich sehr zufrieden! Am Anfang des Jahres setzte ich mir drei Ziele: Ich wollte bei einem Worldcup unter die ersten 15 klettern, bei einem European Youth Cup auf das Podest kommen und das Finale der besten Acht auf der Jugend-WM erreichen. In Dresden erfüllte ich gleich das erste Ziel: Platz 15 im Worldcup. Dann folgte der Stockerlplatz beim EYC in Danzig. Diese zwei Ergebnisse hätten für eine positive Jahresbilanz schon ausgereicht! Zusätzlich noch Bronze auf der Jugend-WM ist mehr, als ich mir erhofft habe. Diese Erfolge bestätigen zum einen all die Mühen des Trainings und zeigen, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Zum anderen geben sie mir die Motivation, neue Ziele zu finden und auf diese zu trainieren.

SonntagUnd vor allem ist ja gerade erst Halbzeit der Wettkampfklettersaison – wir dürfen also gespannt sein auf eine hochmotivierte und topfitte Lisa Knoche…

Du hast ja als Schülerin neben dem Klettern noch einiges andere zu tun – wie schaffst du es, Schule & Klettern unter einen Hut zu bekommen? Hast du das Gefühl, dass das Eine unter dem Anderen leidet?

Ich klettere bereits seit 6 Jahren Wettkämpfe. Seitdem hat sich mein Trainingsvolumen kontinuierlich gesteigert. Die Anforderungen in der Schule aber leider auch. Natürlich ist es oft nicht leicht, beides zu vereinbaren, und wenn ich nach 10 Schulstunden um 17 Uhr nach Hause komme, bin ich nicht gerade übermotiviert zu klettern… Aber der Gedanke an Erfolge wie dieser 3. Platz bringen mich auch in solchen Momenten dazu, den Spaß am Klettern nicht zu verlieren. Dennoch, ohne die große Unterstützung durch meine Familie, meinen Freund und die DAV Sektion Freising, wäre ich bei weitem nicht in der Lage, alles so zu schaffen.

Dabei ist es natürlich optimal, dass du sowohl in deiner Familie mit deinem Bruder und deinem Freund Aric, der ja selbst im Boulder-Nationalkader klettert, hervorragende Trainingspartner hast. Stichwort Training: Wie sieht denn die Vorbereitung einer erfolgreichen Wettkampfkletterin aus? Hast du Unterstützung bei deiner Trainingsplanung? Wie planst du dein Training?

Mein Training besteht vor allem aus Klettern bzw. Bouldern und nur zu einem kleinen Teil aus speziellen Kraftübungen. Bei der Planung erhalte ich Unterstützung von den Bundestrainern. Am Ende einer Saison wird überlegt: Welcher Wettkampf ist im nächsten Jahr der wichtigste? Wann möchte ich richtig fit sein? 2006 war die Antwort auf diese Frage die Jugendweltmeisterschaft. Auf dieses Ereignis wird der Trainingsplan ausgerichtet. Aber was genau ich jeden Tag mache, entscheidet mein Gefühl. Ich kann hart trainieren. Nur wenn ich absolut nicht vom Fernsehsessel aufstehen will, dann lasse ich es halt. Gezwungenes Training ohne Motivation bringt nur Frust und Verletzungen.

SonntagDu sprichst die Motivation an: Sehr wichtig beim Klettern ist ja auch der Kopf – wir alle kennen ja Wolfgang Güllichs legendären Spruch, dass das Gehirn der wichtigste Muskel beim Klettern sei – was geht denn bei so einem Wettkampf wie der WM in der Isolation oder während der Route in dir vor? Wie fokussierst du dich da?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es beim Wettkampf besser ist, dem Kopf nicht allzu viel Freiraum zu lassen. Ich beschließe zum Beispiel schon in der Isolation, dass die Route sehr schön ist und mir gefällt. Denn was habe ich davon, wenn sie mir vielleicht nicht gefällt? Ich bekomme nur Angst vor ihr, bin unmotiviert und falle früh. Das wiederum führt dazu, dass ich mich hinterher ärgere, nicht alles gegeben zu haben. Also ist die Tour von vornherein gut. So bin ich in der Lage, mich in der Tour voll zu konzentrieren und alle anderen Gedanken auszuschalten. Es zählt nur der nächste Griff, der nächste Zug…

Das zeugt ja auch schon von einer sehr professionellen Herangehensweise im psychologischen Bereich – nicht wenige deiner Kolleginnen und Kollegen hadern ja schon im Vorfeld mit einer Route die ihnen angeblich nicht liegt, zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen, schlechter Aufwärmmöglichkeiten, undundund. Und das bevor sie auch nur einen Zug in der Route gemacht haben!

Letztes Jahr hast du national ja alles gewonnen, was es im Jugend- und Erwachsenenbereich im Wettkampfklettern zu gewinnen gibt – wie sehen deine Ziele national und international für dieses und nächstes Jahr aus?

Dieses Jahr habe ich einige meiner Ziele schon erreicht. Nun geht es darum, bei den letzten zwei EYCs ähnliche Resultate wie in Danzig zu erzielen, um den Podiumsplatz in der Gesamtwertung zu halten. Ein weiteres Highlight wird die DM im November in Wuppertal sein.
2007 liegt mein Schwerpunkt mehr auf internationalen Wettkämpfen. Ich möchte mich in den Weltcups bei den Damen bewähren. National will ich meine Position halten. Allerdings wird nächstes Jahr schwerer für mich, da ich im Mai Abitur schreibe und voraussichtlich das erste halbe Jahr wettkampfmäßig aussetzen werde. Wie es dann weitergeht, wird sich zeigen.

SonntagWie steht es denn mit deinen Felsambitionen? Irgendwelche Projekte oder große Ziele für die Zukunft?

Ich klettere sehr gerne am Fels. Leider gaben die Wettkämpfe und das Wetter dieses Jahr nicht allzu viele Gelegenheiten dazu. Dennoch bin ich dieses Jahr schon bis 10- geklettert und ich habe das Gefühl, dass da noch mehr geht…

Wie bist du eigentlich zum Klettern gekommen?

Meine Eltern waren mit mir und meinem Bruder schon immer viel in den Bergen unterwegs. Aber das eigentliche „Klettern“ lernte ich durch eine Freundin kennen. Ich war in der dritten Klasse, als sie mich und meinen Bruder das erste Mal zu einer Jugendgruppe des DAV Freising mitnahm. Wir waren sofort begeistert und blieben dabei.

Und wahrscheinlich waren alle anderen Kids in der Jugendgruppe kurz darauf frustiert, weil die beiden Knoches sehr schnell besser als alle anderen waren…

Worin liegt denn für dich die Faszination des Kletterns?

Klettern ist für mich der vielseitigste Sport: man kann draußen, drinnen, am Fels, in der Gruppe, alleine, kurz oder lang klettern. Außerdem bedeutet klettern reisen, andere Leute kennen lernen und etwas von der Welt sehen. Es wird nie langweilig. Ich liebe die Herausforderung, die es mir bietet.

Hast du irgendwelche Vorbilder im Klettern?

Ich nehme mir nie einen Menschen zum Vorbild, sondern lasse mich durch Eigenschaften, wie zum Beispiel einen starken Willen, beeindrucken.

Wenn dir ein Sponsor einen langen Klettertrip finanzieren würde – wo würdest du überall hinfahren wollen? Neuseeland? Indien? Spanien? USA? Norwegen? Kanada? Thailand? …

Da kann ich mich nicht so schnell entscheiden!

Ich hoffe, dein Schuhsponsor liest das und kann noch ein paar Euronen aus der Kaffeekasse locker machen – nach dem Abitur wäre doch zumindest die ideale Zeit, um auf eine lange Reise zu gehen… Und wenn wir schon beim Thema Reisen und Freizeit sind: Was macht Lisa Knoche denn sonst noch so, wenn sie nicht gerade in der Schule ist oder irgendwo an der Wand hängt? Andere Hobbies?

Ich mache dasselbe, wie alle in meinem Alter…

Das lassen wir jetzt mal ohne genaueres Nachfragen so stehen…

Zum Schluss noch drei Sätze zum Vervollständigen:

Ich könnte wahnsinnig werden, wenn…
…ich unbedingt dieses eine Teil haben will und dann vor der Kasse im H&M eine 15m lange Schlange steht.

Glück ist….
…wenn eine zweite Kasse aufgemacht wird.

Wenn ich ein Mann wäre, würde ich…
…mir wünschen, eine Frau zu sein!

Dem ist nichts hinzuzufügen…
Danke für das Interview und alles Gute und viel Erfolg weiterhin!

Matthias Keller,
Bundesjugendtrainer

 

Zum Thema:
Jugend-Kletter-WM in Imst: Finale im Speedwettbewerb
Fotogalerie vom Speed-Wettkampf
Jugend-Kletter-WM: Finaltag in Imst

Fotogalerie vom Finaltag
Jugend-Kletter-WM in Imst: 2.Qualifikationsrunde im Vorstieg
Fotogalerie des zweiten Wettkampftags
Jugend-Kletter-WM in Imst: 1.Qualifikationsrunde im Vorstieg
Fotogalerie des ersten Wettkampftags
Jugend-Weltmeisterschaft im Sportklettern in Imst eröffnet
Fotogalerie von der WM-Eröffnung

Siehe auch:
www.alpenverein.de
wettkampf.sportzentrum.at
www.digitalrock.de
www.uiaaclimbing.com
www.augenblicke.tv

ZUR PERSON

Matthias Keller
[Text]

  • Spitzname “Clipstick”
  • Trainer der Deutschen Jugendnationalmannschaft zusammen mit Gunter Gäbel und Farid Touchi
  •  

    QuelleText: Matthias Keller, Bundesjugendtrainer, Fotos: DAV