Am nächsten Tag stiegen wir über den frisch verschneiten, aber ganz gut zugefrorenen Gletscher und gewannen schnell an Höhe. Zum Sonnenaufgang am Plateau unterhalb der Steilwände des Südwestgrats, entschieden wir uns, direkt am linkem Rand des großen Gendarmes in einer Verschneidung aufzusteigen. Diese führte anfänglich über 60° steiles Eis mit einigen steileren Aufschwüngen in eine 55° steile tief verschneite Rinne.Wühlend gruben wir uns voran. Nicht mehr allzu weit vom Grat entfernt, mit inzwischen 400 m Wand unter uns, wurde der Schnee noch tiefer und über uns tat sich senkrechter Fels auf. Nachdem wir eine metertiefe Stufe gegraben hatten, standen wir gut und Robert fand zwei feste Eisschrauben für den Stand. Wir seilten an und ich stieg nach links in heikles Lawinengelände.

Durch lockeren Schnee grub ich mich nach oben bis unter eine senkrechte Schnee- und Felsstufe. Beim Graben löste sich die Halterung eines meiner Karabiner am Eisgerät und schlug mir leicht ins Gesicht, sodass mir der Schneidezahn abbrach und im Schnee verschwand. Ein paar Schritte weiter oben konnte ich eine schlechte Eisschraube setzen, ein paar Meter darüber eine Gute. Durch einen Kamin, auf einer Seite in lockerem Schnee, auf der anderen im Fels, spreizte ich mich heikel nach oben, während ich über mir den Schnee wegräumte.

Ein paar Schritte leichten Geländes brachten mich auf den Grat, wo wir das Lager aufbauten (5700m). Noch relativ früh, mussten wir dennoch warten bis die Nacht besseren Firn brachte, um weiterzusteigen. Um 1.00 Uhr klingelte der Wecker und um 2.00 Uhr brachen wir auf: durch die Dunkelheit über steile Schneehänge, einen scharfen Grat, einer mit Schnee belegte Granitplatte. Dann verloren wir das Erste Hilfe-Set mit dem darin eingepackten Satellitentelefon und ich dachte: “Mist, 1000 EUR weg”.

Weiter durch steilen Schnee, an einem Serac vorbei durch den nördlichen Hang: Aufgrund der Lawinengefahr sicherten wir. Tiefes Schneewühlen war angesagt. Danach folgten wir weniger steilem Gelände zu einem Plateau unter dem Gipfelgrat, wo ein eisiger Wind harte Eiskristalle umher blies. Den ausgesetzten Grat kletterten wir meist auf der sonnigen Ostseite Richtung Gipfel. Um 9:00 , nach sieben Stunden mühsamen Aufstiegs, erreichten wir dann den Gipfel. Doch wir machten nur schnell Bilder und beeilten uns: Raus aus dem Wind und noch bei guten Verhältnissen absteigen! Zwar war es wegen des Windes kalt, aber die Sonne heizte sehr stark und weichte die Schneehänge auf.

Gegen 14.00 Uhr erreichten wir das Lager, stiegen am nächsten Tag frühmorgens ab. Erstaunlicherweise fand Robert das Erste-Hilfe-Set und das Telefon hatte den 700 m-Sturz unbeschadet überstanden. Glück gehabt! Im Tal erholten wir uns kurz auf den idyllischen Wiesen bevor sich unsere Weg trennten.

Ich eilte zur Zahnklinik in Namche, wo ich fachkundig behandelt wurde, während Robert direkt ins Basislager ging. Doch als ich mit reparierten Zähnen ins Nordwandbasislager zurückkam, sah ich Robert mit trüber Miene und bandagiertem Knie. Beim Wäscheaufhängen war er ausgerutscht: das Ende unserer ambitionierteren Pläne. Robert musste zur Operation ins Krankenhaus nach Deutschland, während ich noch allein durch das Khumbu zog. Obwohl ich Robert vor der Expedition nicht kannte, hatte es bergsteigerisch sowie menschlich gut gepasst. Darum war es schade, dass wir, perfekt eingespielt und akklimatisiert, nicht weiter gemeinsam klettern konnten.

Die Verhältnise waren so schlecht, dass es ein mental sehr starkes, vielleicht sogar leicht verrücktes Team für einen Erfolg gebraucht hätte. Immerhin gelang uns mit der Besteigung des Cholatse im reinen alpinen Stil doch eine sehr ordentliche, und vor allem sehr schöne gemeinsame Abschlusstour. Den Island Peak (6 180 m) bestieg ich noch in unter 3 Stunden (für 1200 Hm), um danach mit dem Österreicher Christian Huber die Nordwand zu versuchen. Diesen hatte ich in Namche kennengelernt, und am Island Peak, wo er führte, wiedergetroffen.Wir stiegen am 24.Oktober in die Wand ein. Von der Lodge in Dzongla (4900m) vorbei am alten Basislager (4700m) stiegen wir entlang einer vorher im Solo erkundeten 50° bis 60° steilen Schneerippe zum Anfang der Steilstufe auf ca. 5250m Höhe. Steiles kombiniertes Gelände mit teilweise sehr instabilen Schnee folgte. Während immer wieder Spindrift über uns hinweg fegte, stiegen wir 3 Seillängen, dann aus der direkten Linie (Standardanstieg der anderen Expedition) nach links.

Mit etwas weniger Lawinen und Eisfall war es da angenehmer, doch das Gelände steiler. Ich übernahm in der 5. und 6.Seillänge die Führung, doch locker angepappter Schnee auf 80 bis 85°steilen Granitplatten lies meine Nerven blank werden. Dann folgte ein Übergang aus schlechtem Schnee über abdrängenden, überhängenden Granit in die nächste steile (angepappte!) Schneestufe.Sehr heikel zu Sichern, entschieden wir aus auf 5500m Höhe gegen 3:00 Nachmittags für die Umkehr. Das Gelände vor uns nicht Ermutigende, mit anhaltendem Spindrift und Lawinengefahr, war der “Point of no return” gekommen. Wir stiegen bis zu 75°steiles Gelände ab, seilten 4-mal 60 Meter ab, um gegen 7:00 abends in der Dunkelheit den Wandfuss zu erreichen.

Nach Biwak am alten Basislager stiegen wir in Bergschuhen nach Namche ab. Das ganze Wandern, zu viel davon in Bergschuhen, lies meine Füße wund werden und die Motivation für weitere Touren war sehr gering. Weiter nach Lukla, Flug nach Katmandu und daheim, waren zu viele Kilometer in der Horizontalen und zu wenige Meter in der Vertikalen verbracht: Ein Bummelzug durch das Khumbutal mit ein paar vertikalen Auswüchsen.

Vielen Dank an SummitClimb für die Expeditionsunterstützung.

Über Felix Berg
Jahrgang 1980, ist Diplom Mathematiker und ausgebildeter Finanzanalyst. Seit 2001 als Expeditionsleiter tätig, arbeitet er inzwischen Vollzeit für Summitclimb als Organisator und Leiter von Safaris, Trekkings und Expeditionen.

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QuelleFelix Berg