Kritische Stimmen nach der Deutschen Meisterschaft

Als der Deutsche Meister im Sportklettern 2004 gekührt wurde, war
die Stimmung bei einigen Aktiven eher frostig. Was nur in zweiter Linie
an den niedrigen Temperaturen im Landschaftspark Nord in Duisburg lag.
Ebenso wenig daran, dass dem Sieger Daniel Jung den Erfolg keiner
gönnte. Jedoch war manch Athlet vom Ablauf der Veranstaltung arg
enttäuscht.

Seriensieger Bindhammer abgelöst
Dabei ging es am 17.Oktober 2004 um einiges: Nicht nur um den Titel des
besten deutschen Kletterers im Schwierigkeitsklettern und
Speedklettern, sondern gleichzeitig um die Qualifikation für die
World Games 2005. Am Ende gab es eine faustdicke Überraschung: Der
Serien-Deutsche Meister Christian Bindhammer, der auch in der After
Work-Route am weitesten kam, konnte am Ende nicht einmal ein
Plätzchen auf dem Siegerpodest ergattern. Er wurde schlussendlich
Vierter, da er aus der On Sight-Route nur als Neunter herausgekommen
war. Bruder Andreas beendete den Wettkampf als Sechster, Markus Hoppe,
weiterer Mitfavorit, wurde Fünfter. Die besten Leistungen zeigte
der Nachwuchs: Daniel Jung (DAV Siegen/20) holte sich mit zwei starken
Runden den Meistertitel, gefolgt von Robert Heinrich (DAV Landshut/20)
und André Borowka (SBB/21).

Eisige Temperaturen
Die Enttäuschung stand den entthronten Favoriten ins Gesicht
geschrieben. Und sie war nur zum Teil mit dem Ärger über
eigene Fehler zu erklären. Viel schwerer wog die Unzufriedenheit
über der Art und Weise, wie in ihren Augen die Meisterschaften
organisiert waren. “Die gesamte DM war für uns sehr
demotivierend”, bilanzierte Christian Bindhammer. “Es fing schon beim
Austragungsort an: Der Wettkampf fand in einer offenen Halle statt und
wir mussten bei Temperaturen von etwa acht Grad klettern. Das
Verletzungsrisiko für die Athleten ist bei solchen Bedingungen
äußerst hoch.” Auch Mitorganisator Wolfgang Wabel vom
Deutschen Alpenverein (DAV) war über die äußeren
Umstände nicht glücklich. “Das war sehr schade für
Athleten und Zuschauer. Allerdings konnten wir den Termin nicht weiter
vorverlegen, da der Deutschlandcup vor der DM beendet sein muss. Und
die Halle ist nächstes Jahr Aust ragungsort für die World
Games, so dass hier vorher ein großer Wettkampf stattfinden
musste.”

On Sight-Route zu schwer
Die äußeren Bedingungen allerdings waren für alle
Starter gleich. Als viel schwerwiegenderes Manko für die Aktiven
erachtet Andreas Bindhammer die Routen und deren Bewertung: “Die Setzer
waren meiner Ansicht nach nicht ausreichend über das Niveau der
Kletterer informiert. Die On sight-Route war viel zu schwer für
das Starterfeld, selbst die Besten erreichten nur eine Wertung auf
mittlerer Wandhöhe. Die Route hat sehr an einen Boulder-Wettkampf
und nicht an Schwierigkeitsklettern erinnert.” Zudem hätte es
durch weit auseinanderliegende Züge Benachteiligungen für
kleinere Athleten gegeben.

Zweifel an fairer Wertung
Ein zweiter Aspekt der Kritik betrifft die Bewertung der Routen nach
ihrer Höhe, wofür die Griffe abgezählt wurden. “Für
eine faire Wertung hätten die Routen in etwa gleich lang sein
müssen”, sagt Markus Hoppe. Jedoch war die Work Out-Route mit 60
Zügen etwa dreimal so lang wie die On Sight-Route. Zum Ausgleich
der unterschiedlichen Längen wurde die On Sight-Route doppelt
gezählt – was die gebrachten Leistungen verzerrte: “Andreas
Bindhammer und ich hatten beide einen Fehler in der On Sight-Route,
wofür wir uns eindeutig an die eigene Nase fassen müssen!
Allerdings sind durch die doppelte Wertung Konkurrenten, die nach der
ersten Route weit hinter uns lagen und hier nur einen einzigen Zug
weiter kamen, am Ende vor uns. Das war doch sehr frustrierend”,
erinnert Hoppe seinen Ärger.

Kritik nicht immer berechtigt
“Ich kann die Kritik der Athleten in einigen Punkten verstehen”, sagt
Wolfgang Wabel. “Allerdings ist natürlich jeder unzufrieden, wenn
er sich mehr von einem Wettkampf erwartet hatte. Für mich war es
keine schlechte DM und die Athleten mit den besten Leistungen standen
verdient ganz oben.” In seinen Augen sei die zweite Route etwas
unglücklich gesetzt worden. Er fügt jedoch gleich hinzu: “Der
Routenbau ist so komplex, dass auch auf einem Weltcup die eine oder
andere Boulderstelle – auch auf niedriger Höhe – zu finden ist.
Fallen die Athleten dort raus, ist das Gemecker ebenfalls laut.” Auch
die Kritik an der Wertung will Wabel so nicht stehen lassen: “Der
Ergebnisdienstler hat seinen Job nicht zum ersten Mal gemacht und auf
vielen internationalen Wettkämpfen wird ebenfalls mit
Höhenmessung gewertet. Wäre die zweite Route leichter gewesen
und wären die Aktiven weiter gekommen, hätte es auch keine
Beschwerden gegeben.”

Sieger mit zwei ausgeglichenen Runden
Daniel Jung selbst bekam von dem Ärger nicht allzu viel mit, als
letzter Starter hatte er mit der mentalen Vorbereitung genug zu tun.
Und das zahlte sich aus: Mit zwei starken Runden gelang ihm eine
überzeugende Vorstellung. “Das Jahr lief schon sehr gut für
mich und ich bin ohne Druck in den Wettkampf gegangen.” Dem 14. des
letzen Jahres gelang es am besten, sich auf die beiden unterschiedlich
schweren Routen einzustellen. Das standen ihm die Konkurrenten auch
neidlos zu: “Unter den Vorraussetzungen hat Daniel Jung eindeutig die
beste Leistung geboten. Er bringt sehr viel Talent mit”, gratuliert ihm
Andreas Bindhammer. Auch Wabel weiß, dass der Jungstar zur Zeit
topfit und hochmotiviert ist: “Es hat mich daher nicht besonders
überrascht, dass der Sieger am Ende Daniel Jung hieß.”

Intensive Vorbereitung
Ob dieser Wettkampf Werbung für den Sport war, bezweifeln einige
Athleten. “Die Zuschauer dachten nach der zweiten Runde, wir seien
schlecht vorbereitet gewesen. Genau das Gegenteil war der Fall: Ich
habe die ganze Saison auf dieses Ereignis hingearbeitet”,
resümiert Hoppe. “Die DM war für uns alle ein herausragendes
und wichtiges Ereignis. Für die Veranstalter anscheinend weniger.”
Dem widerspricht Wabel: “Der DAV war zusammen mit der Sektion, dem
Landesverband und den World-Games-Organisatoren Veranstalter der DM.
Von der Arbeit und dem Budget her hatte die DM Weltcup-Ausmaße.
Sie war für uns ein mindestens so großes und besonderes
Ereignis wie für die Athleten.”

Siehe auch:
Marietta Uhden und Daniel Jung werden Deutsche Meister
2004

www.mountains2b.com
www.christian-bindhammer.de

QuelleText: Mountains2b.com