Auf meine Anmerkung, dass Kritiker nun sicherlich schreiben würden, dass die
Knochenfunde möglicherweise den Abstieg Günthers über die Diamirflanke belegten,
aber das “warum” noch immer gepaart mit den eidesstattlichen
Versicherungen, Messner habe mehrfach und detailliert von einer
möglichen Überschreitung gesprochen, im Raume stünde, wird der Tonfall
wieder alles andere als versönlich.
Eine Überschreitung ohne Ausrüstung wäre Wahnsinn gewesen und er habe
schließlich seine Kameraden gebeten, die Merkl-Rinne mit Seilen für
seinen Abstieg zu versichern und auf ihn zu warten. Schon allein daraus
ergebe sich, dass er den Nanga Parbat zu keinem Zeitpunkt überschreiten
wollte.
Als ich dann nachfragte, was denn nun einfacher gewesen wäre: Seinen
höhenkranken Bruder über eine vollkommen unbekannte Route die
Diamirflanke herunterzuführen im sicheren Wissen, dass dort keinerlei
Lager und keinerlei Hilfe zu erwarten gewesen wäre oder Günther bis
(von oben betrachtet) zum Ende der Merkl-Rinne über die bekannte
Aufstiegsroute zu führen, wenn denn dort seine Kameraden auf seinen
Wunsch hin Seile fixierten und Hilfe in greifbarer Nähe ist. Da ging
es auch mit Messner ein wenig durch – wahrscheinlich hat er diese Frage
schon etwas zu oft gestellt bekommen. Günther und er hätten sehr viele
Möglichkeiten durchdacht und wären zu dem Schluss gekommen, dass ein
Abstieg über die Merkl-Rinne schlichtweg unmöglich gewesen wäre. Auch
wenn ihn nur 5 Meter von den Helfern getrennt hätte, hätte das
auch nicht gereicht und erinnerte in diesem Zusammenhang an den
tragischen Fall von Toni Kurz in der Eiger-Nordwand. Zudem hätte ihm
Günther gesagt, dass die Merkl-Rinne eben nicht mit Seilen versichert
ist.
Auf meine Entgegnung, dass zwar Günther aus Wut über den Seilverhau
alleine loszog, aber deswegen davon auszugehen, dass keine Seile
fixiert würden, wäre doch etwas übertrieben, meinte Messner: Zum
Anbringen von Fixseilen benötigt man zwei Personen, es war aber nur
eine da – deswegen bin ich davon ausgegangen, dass die Rinne nicht
versichert ist.
Er musste seinem Bruder helfen, sah als einzigen gangbaren Weg den
Abstieg über die Diamirflanke, den er Jahre später in nur 6 Stunden
hinter sich brachte und schlug diesen Weg ein. Lieber dort Stück für
Stück runter, als dem sicheren Tod beim Versuch über die Merkl -Rinne
abzusteigen ins Auge zu blicken.
Und eben zu krönenden Abschluss
“Jeder richtige Bergsteiger kann das nachvollziehen. Jemand der nur in
der Halle am Plastik klettert, kann das alles nicht verstehen”
😉
Auf die Nachfrage eines anderen Journalisten, wie es denn mit dem
Rufkontakt war, gibt Messner diesen zu, doch er hatte sich
ausgerechnet, dass die aufsteigende Seilschaft eh erst viel zu spät zu
Günther und ihm gekommen wäre und wollte deren Leben nicht auch noch
in Gefahr bringen. Daher habe er diesen eben nichts vom Zustand seines
Bruders signalisiert.
Soweit also dazu. Noch kurz zum eigentlichen Knochenfund:
Der Südtiroler Bergführer Hanspeter Eisendle fand den Knochen zufällig
bei Dreharbeiten auf dem Gletscher am Nanga Parbat unterhalb der
Diamirflanke. Er steckte halb im Geröll und war so verwittert, dass er
diesen zunächst nur für einen Ast hielt. Als er ihn herausgezogen
hatte, habe er ihn als einen Knochen erkannt. Ein Bruder von Reinhold
Messner war Arzt und auch vor Ort. Dieser hielt ihn für zu gross, als
dass er zu Günther gehören könne. Daher mass man diesem Fund nicht eine
solch große Bedeutung zu und vermutete eher, dass er einem vermissten
Pakistaner zuzuordnen wäre. Das war ihm Jahr 2000.
Schließlich landete der Knochen beim gerichtsmedizinischen Institut in
Innsbruck und wurde dort untersucht. Messner gab in seinen eigenen
Worten als “Laie” – wie er selber meinte – dazu bekannt, dass er
behaupten dürfe, dieses Knochenstück gehöre sicher zu seinem Bruder –
die Mediziner dürften dies so nicht behaupten. Es folgten
Zahlenspielchen, die keiner so recht durchschauen konnte. So beträgt
z.B. die Wahrscheinlichkeit, dass die gefundene DNA-Kette bei einem
Menschen vorkommt 1:557.000 Welche Aussagekraft hat dies? Eine ganz
andere Zahl besagt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Knochen
von Günther ist, 60mal höher ist, als dass der Knochen von einem
anderen Menschen stammte. Zudem wurde die Größe des Menschen auf
165-175cm festgelegt – Messners Bruder war wohl 170cm gross.
Bleibt trotzdem die Frage:
Was beweist dieser Fund ausser, dass Günther auf der Diamirseite des
Nanga Parbat ums Leben gekommen ist und nicht – wie wohl Herrligkoffer
mutmasste – in der Nähe der Merkl-Rinne? Natürlich – wenn dieser Part
stimmt, warum sollte dann nicht auch der Rest der Geschichte von
Reinhold Messner stimmen, aber ich denke, dass noch immer einige Fragen
zu klären sind.
Ich wurde im Anschluss an die Pressekonferenz kurz von Antenne Bayern
gebeten, als Teilnehmer die Frage zu beantworten, ob ich glaubte,
dass Reinhold Messner mit dieser Pressekonferenz sein Ziel erreicht
habe, dass nun endlich Ruhe ist. Mein Kommentar und meine Meinung
“Sicherlich nicht!”.
Und wenn schon einer, der nur am Plastik in der Halle klettert diese
ganzen Umstände nicht verstehen kann – wie bitte schön sollen das
Journalisten verstehen, die mit dem Bergsport überhaupt nichts zu tun
haben?
In diesem Sinne – ich denke, dass diese Angelegenheit die alpinen
Blätter – und nicht nur diese – noch eine ganze Weile beschäftigen
wird…
Martin Joisten
Dank an Thorsten W. für die Digicam!