Oberlandesgericht Hamm: Schwerer Kletterunfall – Sicherungspartner haftet umfassend

Stürzt eine im sog. "Tope-Rope"-Verfahren gesicherte Kletterin ab, weil ihr Sicherungspartner die Seilbremse gelöst hat, ohne zuvor das Kommando "Stand" erhalten zu haben, schuldet der Sicherungspartner aufgrund seines regelwidrigen Verhaltens umfassenden Schadensersatz.

Frankfurt am Main: Gerechtigkeitsbrunnen, Detail der Justitia von Nordwesten (c) MyliusAuf eine Haftungsbeschränkung oder einen Haftungsausschluss kann er sich nicht berufen. Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschlüssen vom 20.09.2013 und 05.11.2013 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bochum bestätigt. Die seinerzeit 40jährige Klägerin aus Bochum verunfallte im Juni 2011 beim Klettern in einem Klettergarten in Hattingen. Beim Erklettern einer Wand sicherte der Beklagte aus Bochum die Klägerin mit einem Sicherungsseil im sog. "Top-Rope"-Verfahren. Bei diesem Verfahren ist das Klettergeschirr am Sicherungsseil angebracht, das Seil verläuft vom Kletterer über einen oben an der Wand befestigten Umlenker zu dem unten stehenden Sicherungspartner.

Als die Klägerin bis zum Umlenker geklettert war, löste der Beklagte die Seilbremse, ohne dass die Klägerin zuvor das in der Kletterpraxis übliche Kommando "Stand" gerufen hatte. Die ungesicherte Klägerin stürzte aus ca. 15 Metern Höhe zu Boden und verletzte sich schwer. Sie erlitt Frakturen an Rippen und Wirbelsäule und Quetschungen innerer Organe. Vom Beklagten hat sie die Feststellung seiner umfassenden Schadensersatzpflicht verlangt.

Das Landgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben, eine Entscheidung, die der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm bestätigt hat. Der Beklagte hafte, weil die Klägerin durch sein fahrlässiges Verhalten verletzt worden sei. Er habe die Seilbremse gelöst, ohne dass die Klägerin zuvor das in der Kletterpraxis der hierfür vorgesehene Kommando "Stand" gegeben habe. Auf einen Haftungsausschluss oder eine Beschränkung der Haftung auf erhebliche Regelverletzungen, wie er z. T. bei sportlichen Kampfspielen oder Wettkämpfen angenommen werde, könne sich der Beklagte nicht berufen.

Insoweit sei bereits zweifelhaft, ob beim Klettern mit wechselseitiger Absicherung eine vergleichbare Gefahrensituation bestehe. Jedenfalls bestehe keine Situation, in der die Beteiligten unter Einhaltung bestimmter Regeln ihre Kräfte messen und sich in der sportlichen Interaktion gewissen Verletzungsrisiken aussetzten. Es bestehe vielmehr eine strikte Aufgabenverteilung, bei der sich der Kletternde auf das Klettern und der Sichernde auf die Sicherung des Kletternden konzentrieren könnten.

Im Übrigen seien die Risiken beim Klettern in einem Kletterpark gewollt, vorhersehbar und durch die grundsätzlich vorhandene Absicherung kontrollierbar. Außerdem habe der Beklagte den Sturz der Klägerin durch eine gewichtige Regelverletzung verursacht, das begründe auch bei Sportarten mit einer erheblichen Gefährdungs- und Verletzungsgefahr eine Haftung.

Beschlüsse des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20.09.2013 und vom 05.11.2013 (9 U 124/13)

Christian Nubbemeyer, Pressedezernent

QuelleChristian Nubbemeyer, Foto: Mylius (Wikimedia Commons User)