Erstbegeher Interview Ben Moon
Als du 1990 "Hubble" geklettert und mit E9/7b bewertet hast, was heute einer 8c+ entspricht, hast Du da eigentlich schon gewusst, was du da abgeliefert hast?
Im Jahr zuvor hatte ich schon einige 8c-Routen in Frankreich geklettert. Ich wusste schon, dass "Hubble" viel schwerer war als meine bis dahin schwierigsten Routen wie "Acincourt" oder "Maginot Line". Deshalb gab ich der Route E9/7b, und es war die erste Route in Großbritannien, die mit dem technischen Grad 7b bewertet wurde (Anm.: Das englische Bewertungssystem gibt mit dem E-Grade die Gesamtanforderung und mit dem technischen Grad die schwierigste Einzelstelle an). Wie schwer eine Route dann letztendlich wirklich ist, stellt sich erst im Laufe der Zeit heraus.
Fotostrecke: Sean McColl in Hubble (8c+)
Heute gilt "Action Directe" als erste 9a; aber manche munkeln, dass "Hubble" vielleicht in der gleichen Liga spielt? Du hast "Action Directe" probiert …
Heute wu?rde ich sagen, dass "Hubble" durchaus im gleichen Grad liegen könnte wie "Action Directe", die ich 1992 probiert hatte. Ich habe "Action" zwar nicht durchsteigen können, war aber kurz davor. Es war damals sehr kalt, und ich zerrte mir die Finger bei einem Versuch so schlimm, dass ich einige Jahre Probleme mit Fingerlöchern hatte; das war auch der Grund, warum ich nicht noch einmal an "Action" gegangen bin. Vielleicht im nächsten Leben? (lacht)
Du hast Wolfgang ja ganz gut gekannt; was wu?rdest Du nach 30 Jahren u?ber ihn sagen?
Wolfgang war ein außergewöhnlich talentierter Kletterer, einer der weltbesten, der bahnbrechende Erstbegehungen auf der ganzen Welt hinterlassen hat – nicht nur harte Sportkletterrouten, sondern auch ku?hne Free Solos und lange Routen an den Bergen der Welt. Aber er war auch eine unglaublich großzu?gige und freundliche Persönlichkeit. Das erste Mal traf ich ihn 1984 in La Palud, als ich mit Jerry in Su?dfrankreich unterwegs war. Als er mein abgenutztes 9-Millimeter-Seil sah, das ich als Einfachseil benutzte, schenkte er mir spontan eines seiner neuen Seile. Das war Wolfgang, nicht nur ein großer Kletterer, sondern auch ein großzu?giger lieber Mensch.
Du hast ja gezielt fu?r "Hubble" trainiert und die Einzelzu?ge an deinen sogenannten "woodies" nachgebaut; waren diese "woodies" die Basis fu?r die heutigen Moon Boards?
Ja, das Moon Board basiert auf den einfachen Kletterboards aus Holz, an denen wir in den 1990er-Jahren trainiert haben. Das Moon Board ist nach einem bestimmten Schema gebaut, das es möglich macht, jegliche Boulderprobleme mit Moon-Board-Besitzern irgendwo auf der Welt zu teilen. Ich find' das eine wirklich coole Sache…
Du und Jerry Moffatt, ihr werdet oft im gleichen Atemzug genannt; weißt du noch, wann du ihn zum ersten Mal getroffen hast?
Ja, das weiß ich noch ganz genau! Es war in North Wales, ich hatte als junger Kerl alles u?ber Jerry und u?ber Ron Fawcett gelesen; Ron war der Held meiner Jugend, und Jerry war damals der "young hot shot", der alles niederkletterte. Ja, es war am Pen Trwyn, einem Kletterzentrum damals. Ich ging die Landstraße hinauf und sah diesen Kerl dort oben im Seil hängen und herumschreien. Der Grund war, dass sein Freund Andy Pollitt ihn ordentlich verarscht hatte und ihm eine Route mit scharfen Griffen empfohlen hatte, obwohl er ihn nach einer Route fu?r kaputte Fingerhaut gefragt hatte. Aber es war schon typisch fu?r Jerry, dass er immer ein wenig herumgeschrien hat. Ja, das war unser erstes Zusammentreffen, und daraus wurde eine lange Trainings- und Kletterfreundschaft.
Habt ihr zusammen an "Hubble" trainiert?
Ja sicher! Und uns gegenseitig motiviert. Jerry war schon ziemlich nahe am Durchstieg, aber als ich das Ding dann gemacht hatte, verlor er wohl die Motivation, weiter zu probieren.
Wart ihr Konkurrenten?
Ich kenne Jerry nun seit 30 Jahren und wir sind gute Freunde. Als wir jung waren und schwer kletterten, trainierten und kletterten wir viel zusammen, aber es machte auch jeder sein eigenes Ding. Ich glaube, es war toll und inspirierend, einen solchen Trainingspartner zu haben, ähnlich wie der Sparringspartner im Boxen, denn das gibt den Antrieb, noch intensiver zu probieren. Ja, wir sind beide sehr ehrgeizig und hatten auch unsere Streitereien aber wir haben uns immer wieder zusammengerauft. Und am Ende des Tages ist eine tiefe Freundschaft wichtiger als das Klettern, finde ich.
Jerry war recht erfolgreich bei Kletterwettkämpfen; wie hast du das mit den Wettkämpfen gehalten?
Nun, Wettbewerbe haben mir schon Spaß gemacht, aber ich war nie richtig darauf fokussiert. Es hat mir viel mehr Spaß gemacht, an natu?rlichem Fels zu klettern, Routen rotpunkt zu klettern und zu bouldern, draußen zu sein.
Im Jahr 2006 hast du mit "Voyager + sit start" (FB 8b+) eine weitere "Duftmarke" hinterlassen; bisher ist dieser Boulder, der wohl schwierigste Boulder im Gritstone, noch nicht wiederholt worden; war das der erste Boulder im Grad 8b+?
Nein, denn "Hubble" als Boulder wäre sicher auch 8b+, und ich hatte in den 1990ern ein anderes Boulderproblem im Peak gelöst, das auch noch keine Wiederholung hat, der Sitzstart zu "Superman", das sicher auch 8b+ ist. Trotzdem, "Voyager" ist verdammt schwer und hat ungezählte Versuche u?ber zwei, drei Jahre gekostet. Die Griffe sind winzig und du kannst nicht viele Versuche am Tag machen. Zudem brauchst du beste Bedingungen. Einige gute Kletterer haben das Ding wohl schon probiert, waren aber wohl nicht fokussiert genug um es zu klettern.
Was wu?rdest Du den jungen Kletterern noch sagen wollen?
Oh Gott, was fu?r eine schwere Frage, weil es eigentlich so viel zu sagen gäbe. Zuru?ckblickend, nachdem ich nun rasend schnell auf die 50 zugehe, kann ich nur sagen, dass das Leben sehr schnell dahin geht. Auch wenn es ein Klischee ist, kann ich nur sagen "Nimm den Tag!" Es ist nicht wirklich wichtig, wie schwer du kletterst, sondern wie sehr du dich dafu?r engagierst. Folge deinem Herzen und gib alles, was du hast. Denn du willst doch sicher nicht zuru?ckschauen und bereuen mu?ssen, dass du nicht mehr gegeben hast…