Mit Faltbooten, Macheten und Kletterschuhen war ein Team um Stefan Glowacz im Dezember 2006 in der venezolanischen Gran Sabana unterwegs. Das Ergebnis: eine Neutour am 2200 Meter hohen Acopan Tepui. „Pemón“ nennen sich die indianischen Ureinwohner, die an den baumgesäumten Flüssen der Gran Sabana im Osten Venezuelas leben. Den „wahren Menschen“ gelten die Tafelberge, die Tepuis, die sich aus der Hochebene an der Grenze zu Guyana erheben, als „Häuser der Götter“. Um deren Sitz zu erreichen, mussten Stefan Glowacz, 41, Holger Heuber, 44, Kurt Albert, 53 und Ivan Calderón, 30, zunächst durch ihr persönliches, 20 Seillängen dauerndes „Fegefeuer“ (IX, 700 m) in der Nordwand des Acopan Tepui gehen. Auf ihrer Reise wurden die Kletterer von Fotograf Klaus Fengler, 43, Kameramann Jochen Schmoll, 34 und Arzt Tilo Marschke, 35, begleitet. In einem randvoll bepackten Jeep brachte die Expeditionsmannschaft die dreitägige Fahrt von Caracas in die Indianersiedlung Karuai hinter sich. Dort wurde das gesamte Gepäck in drei Faltkanadiern verstaut. In den hoffnungslos überladenen Booten paddelten Glowacz und Gefährten fünf Tage lang den Rio Karuai hinab, bis sie die Siedlung Yunék am Fuß des Acopan Tepui erreichten. Von ihrem Basislager bahnten sie sich mit Macheten einen Weg durch dichten Regenwald an den Wandfuß der bis zum Gipfelplateau überhängenden Nordwand. Den auf eine jahrzehntelange Kletterkarriere zurückblickenden Kurt Albert veranlasste deren Anblick zu den Worten: „So eine irre Wand habe ich noch nie gesehen.“ In zwei Teams stiegen die Kletterer in ihre projektierte Route ein. Abwechselnd trieben die Seilschaften Glowacz/Heuber und Albert/Calderón die Route voran. Der aus der Ferne kompakt wirkende Sandstein erwies sich im unteren Wandteil als extrem brüchig. Glowacz: „Da konnte man mit dem Finger reinbohren.“ Auch der mittlere, stark überhängende Part zeigte „viel Charakter“, bis die Headwall mit „Traumkletterei“ aufwartete. Bis zur Wandmitte arbeitete das Team mit Fixseilen, um den Materialnachschub zu erleichtern. Für die obere Wandhälfte blieben die Kletterer im „Fegefeuer“, ohne auf den sicheren Boden abzuseilen. Die Kletterei erwies sich als äußerst athletisch, die Schwierigkeiten der Route liegen kontinuierlich zwischen dem VIII. und IX. Schwierigkeitsgrad. Die Standplätze wurden jeweils mit zwei Bohrhaken ausgerüstet, zur Absicherung kamen hauptsächlich Friends und Klemmkeile zum Einsatz. Glowacz: „Die Route folgt trotz der Dächer und Überhänge stets einer natürlichen Linie.“ Nach durchstandenem „Fegefeuer“ bestieg die Expeditionsmannschaft erneut die Boote, um bis zur Landepiste in Uonkén zu paddeln. Dort wurde sie von einer einmotorigen Cessna abgeholt. Mit ihrer Erstbegehung waren Glowacz, Heuber, Albert und Calderón die ersten Menschen auf dem Nordpfeiler des Acopan Tepui. Das „Fegefeuer“ ist die insgesamt dritte Route an diesem weitläufigen Massiv. 2002 erschlossen Helmut Gargitter, Walter Obergolser, Toni Obojes, Pauli Trenkwalder, Ivan Calderón und Renato Botte die 10-Seillängen-Route „Jardinieros de Grandes Paretes“ (VIII+) in der Südwand. Im selben Jahr gönnte sich das britische Ehepaar John und Anne Arran zusammen mit Alfredo Rangél in der Südostwand 21 Seillängen „Pizza, Chocolate y Cerveza“ (IX+). Mehr Bildmaterial und Informationen zur Expedition: Siehe auch: |