Für die beiden Südtiroler geht mit der Besteigung der imposanten Eislinie ein Traum in Erfüllung: Für die Besteigung der 600 Meter hohen Wand im Schwierigkeitsbereich M6 Wi5 müssen, neben den Bedingungen, das Zusammenspiel und die Kondition der Kletterer funktionieren.
Simon Gietl kann die Bedingungen des diesjährigen Winters in seiner Heimatregion, den Dolomiten, ein weiteres Mal mit einer beachtenswerten Besteigung für sich nutzen. Nachdem der SALEWA-Athlet die Mixed-Route “Kalipe” eine Woche zuvor vom Einstieg am Würzjoch aus begutachtet, verliert der junge Kletterer keine Zeit und beginnt mit den Planungen.
Gemeinsam mit Seilpartner Davide Prandini (IT) steigt Gietl am 18. Januar zum ersten Mal in die “Kalipe” ein. Sie klettern die ersten sechs Seillängen. Ihr Augenmerk gilt der Schneesituation und der möglichen Linienführung auf der Eisspur. Dabei entsteht die Idee, die Route nonstop in einem Tag zu bewältigen.
Am 26. Januar um 6.30 Uhr startet Gietl dann mit seinem vertrauten Kletterpartner Mark Oberlechner in das Projekt. In den ersten Seillängen macht ihnen ein stürmischer, kalter Nordwind das Klettern schwer. Die ohnehin schon tiefen Temperaturen fühlen sich um einiges frostiger an als erwartet. Bis zum Einstieg in die technischen Schwierigkeiten der markanten Eisspur klettern sie simultan.
Die Schlüsselseillänge nehmen die Kletterer als ernsthaftes Unternehmen mit vielen gefrorenen Schneepolstern und einer sehr dünnen Eisauflage wahr. Eine verlässliche Absicherung ist in den technischen Passagen kaum möglich und unzählige Spindrifts erschweren das Klettern. Hochkonzentriert und mit größter Vorsicht gelingt ihnen diese Seillänge, in der Stürzen laut Simon Gietl keine Option ist.
Danach verliert die Eislinie ihre Steilheit spürbar und das Klettern wird entspannter und technisch einfacher. Die Möglichkeit, zuverlässige Standplätze einzurichten, nimmt im geneigten Gelände wieder zu. Auf das Anbringen von Zwischensicherungen müssen die Kletterer weitestgehend verzichten. Nach rund 200 Metern ist die Eisspur zu Ende und ein logischer Kanal sowie ein Schneegrat weisen die Linie zum Gipfel.
Lockerer Tiefschnee macht den Anstieg zum Gipfel zeitaufwändig und anstrengend. Dennoch erreichen die beiden Athleten nach über fünf Stunden den Gipfel des Peitlerkofel (2.875 Meter) und die Erstbegehung der “Kalipe” in der Nordwand des prägnanten Dolomiten-Klassikers gelingt am 26. Januar 2019.
Simon Gietl beschreibt ein besonderes Gefühl, das sich nach der Erstbegehung bei den beiden Kletterern breit macht: “Das Gefühl, genau die richtige Zeit gewählt zu haben, um diese Idee in die Tat umzusetzen. Wir konnten unsere Ausrüstung, unseren Zeitplan und die Art der Absicherung so präzise auf das Projekt abstimmen, dass uns die Begehung an einem Tag geglückt ist.”
Infos zur Route:
Die neue Route “Kalipe” befindet an der Nordseite des Peitlerkofels, Dolomiten.
Länge: 600 Meter
Kletterstrecke: 700 Meter
Schwierigkeit: M6 Wi5
Material: Serie Friends, eventuell Hammer und Haken; 5 Haken wurden belassen.