IMS 2014: Eine gefährliche Leidenschaft

Ihre Sportarten und Einstellungen sind extrem: tägliche Angst, Risiko und Nervenkitzel halten den Deutschen Sebastian Steudtner, Warren Verboom aus der Schweiz und die Amerikanerin Steph Davis aber davon nicht ab. Beim Kiku. International Mountain Summit in Brixen/Südtirol sind die Drei bei der IMS Diskussion erneut Grenzwege gegangen und haben sich mit ihrer Willenskraft den größten Lebenstraum erfüllt.

IMS 2014: Diskussion Gaiser, Davis, Verboom, Schenk, Steudtner, Haselböck, Fuchs, Zacek, Ploner und Marmsoler (c) Stefania Ventura/IMS Jeder kennt das: Die besten Fotos müssen lange geplant werden. Der richtige Moment ist entscheidend und kostet manchmal eine Menge Überwindung.

Die Diskussion "Mountain Xtreme" führte beim Kiku. International Mountain Summit, zusammen mit der Marke GORE-TEX, auf einen "Weg ins Ungewisse". Drei Pioniere des Extremsports gingen in ihrem Leben den Weg ins Unbekannte. Sie alle vereint, dass sie durch ihre Begeisterung, Sehnsucht und den Wunsch nach Selbsterfüllung Grenzen überschritten und besondere Wege eingeschlagen haben.

Sebastian Steudtners Lebensinhalt sind Berge, die immer wieder auftauchen und wieder verschwinden. Hochhaushohe Wellen, Berge aus Wasser, dem kraftvollsten Element der Welt. "Solange ich denken kann, wollte ich Surfer sein", sagt er. Mit neun Jahren surft er das erste Mal, hat fortan im Blick, eine Surfschule in Hawaii zu besuchen. Als er mit 16 Jahren einige Zeit in der Karibik verbringt und nach einigen Surfings in die Amateurdivision des Worldcups aufgenommen wird, bricht er die Schule ab und zieht nach Hawaii. Am 9. November 2009 surft er die mit 22 Metern Höhe größte Welle des Jahres weltweit. Sebastian Steudtner wird daraufhin als erster Deutscher für die Billabong XXL Global Big Wave Awards nominiert und gewinnt als erster Europäer die mit 15.000 US-Dollar dotierte Kategorie "Biggest Wave". Seine Botschaft an die Zuschauer: Folgt Eurer Leidenschaft.

Die Leidenschaft von Warren Verboom heißt zwar "Freestyle Canyoning", hat aber nichts mit Booten oder Kajaks zu tun. Stattdessen ist Springen, Rutschen und Abseilen angesagt. Wenn Warren auf einem großen Felsen steht, nimmt er gezielt Anlauf, springt auf eine von der Kraft des Wassers geformte Steinfläche und rutscht die schmale, ebene Fläche hinunter ins Wasser. Sein Geheimnis, damit er sich nicht verletzt: ein geringer Winkel, mit dem er auf den Stein auftrifft. Ein Zufall hatte dafür gesorgt, dass er zu seinem Sport gekommen ist.

Nach seinem ersten Bungeesprung will er bei einem Bungeeverein anfangen zu arbeiten, benötigt hierfür aber einen Canyoning-Kurs. Er schließt ihn erfolgreich ab, entscheidet sich für das Canyoning und führt seitdem nicht nur begeisterte Nachahmer durch die Schluchten, sondern testet auch immer wieder selber seine Grenzen aus. Der Spielraum ist dabei stark begrenzt, den er bei seinen Sprüngen hat. Meist liegen nur ein bis zwei Meter zwischen dem sicheren Wasser und der senkrechten Felswand. Zugegeben: Zumindest bei schwierigen Sprüngen misst er auch mal den Abstand, um heil unten anzukommen.

Eine ganz andere Devise vom Abstieg vom Gipfel hat dagegen die freikletternde Base-Jumperin Steph Davis. Sie fliegt nach einer langen Klettertour lieber mit ihrem Wingsuit Anzug herunter und sagt: "Jedes Mal, wenn ich abspringe, fühle ich mich frei. Das Fliegen ist Teil meines Lebens.". Die Tiefen in ihrem Leben – den Verlust von Job, Haus, Freunden und Ehe – versucht sie durch das Fliegen zu überwinden. Hier lernt sie auch den Base-Jumper Mario Richard kennen. Die beiden verlieben sich, heute sagt Steph Davis, dass Mario der perfekte Mann für sie war.

Als die Beiden für einen Flug in der Luft sind, stürzt Mario ab und stirbt. Für Steph Davis ein schwerer Schicksalsschlag: Sie unterdrückt die Emotionen, denkt später sogar an Selbstmord. Erst durch das weitere Fliegen lernt sie die Trauer zu verarbeiten. Heute fliegt sie immer noch, kann nicht mehr ohne diese Leidenschaft auskommen. Die Asche von Mario Richard hat sie bei jedem Flug dabei. Sie sagt: "Mein Flug, ist auch sein Flug".

Verrückt oder nicht? Sebastian Steudtner scherzt in der anschließenden Diskussion, dass er die gefährlichsten Momente im Alltag vor allem im Auto auf der Autobahn zwischen Nürnberg und München erlebt habe. Der Psychologe und Diskutant Thomas Fuchs springt ihm bei: "Hier sind trotz Extremsport Profis am Werk, die ihr Handwerk verstehen und alle topfit sind. Da ist bei manch anderem ein Fahrradausflug gefährlicher."

Steph Davis versucht vor allem mit Respekt und ausreichend Vorbereitung an einen Flug heranzugehen, um die Gefahr des Absturzes zu minimieren. Auch Warren Verboom lässt sich bei manchen Sprüngen Zeit: manchmal sogar mehrere Monate. Bei seinem Absprung seien manchmal Millimeter entscheidend. Scheinbare Kleinigkeiten, die den Reiz der Leidenschaft ausmachen, aber bei allen drei Akteuren über Leben und Tod entscheiden können.

Der Kiku. International Mountain Summit wird unterstützt von KIKU, GORE-TEX, MARMOT, BMW, Raiffeisen, Forum und Gemeinde Brixen, Stiftung Südtiroler Sparkasse, Dachmarke Südtirol.

QuelleTimo Gadde (IMS), Foto: Stefania Ventura/IMS