IMS 2014: Um Qualität muss gestritten werden

Die Diskussionsrunde war hochkarätig besetzt. Die besten international renommierten Bergsteiger kamen beim Kiku. International Mountain Summit im Messner Mountain Museum auf Schloss Sigmundskron zusammen. Unter dem Motto "Mountain ex.change" sprachen sie gemeinsam mit Verantwortlichen und Journalisten über die Perspektive von qualitätsvoller Berichterstattung im Alpinismus. Mit ähnlichen Erwartungen und Zielen.

IMS 2014: Diskussion ex.change Reinhold Messner, Mark Inglis, Adam Holzknecht, Hanspeter Eisendle, Marlis Prinzing (c) Stefania Ventura Derzeit ziehen vor allem starke Geschichten und Bilder die Zuschauer in ihren Bann und machen so den Bergsport auch für eine breite Medienöffentlichkeit interessant. Hanspeter Eisendle stellt aus der Perspektive der Bergsteiger in seinem Impulsreferat eine negative Entwicklung der Berichterstattung über Themen des Alpinismus fest. Berichte würden zunehmend verflachen. Zusätzlich würden Produktpräsentationen immer häufiger zu Abenteuerreisen stilisiert werden. Dieser Trend führe dazu, dass die Glaubwürdigkeit immer weiter abnimmt.

Medienforscherin, Journalistin und Dozentin Prof. Dr. Marlis Prinzing sieht sowohl auf der Seite der Bergsteiger, als auch auf der der Journalisten einen blinden Fleck und vergleichbare Probleme. Ein Japaner, der vom Gipfel des Mount Everest twittert, sei das beste Beispiel für eine einseitige Berichterstattung gewesen. Die multimediale Echtzeitshow sei von vielen Medien gefeiert worden, gleichsam habe man nicht twitternde Bergsteiger im selben Atemzug als "rückwärtsorientierte Alpinisten" bezeichnet.

Das Lawinenunglück bei der Double 8 Expedition habe zudem auch eine Schwachstelle aus Sicht der Medienethik offengelegt. Durch die zahlreichen Berichte mussten sich Medien die Frage gefallen lassen, ob sie die Medienbühne und damit den Druck auf die Athleten nicht noch zusätzlich befeuert haben. Ihr Plädoyer: Ein bewussterer Umgang mit sozialen und journalistischen Medien. Bergsteiger und Journalisten seien Teil des Spiels und müssten sich des blinden Flecks bewusst werden, um zu entscheiden, was in der Abwägung privat und was öffentlich ist.

In der anschließenden Diskussion kamen zunächst zahlreiche international renommierte Bergsteiger zu Wort. Die Positionen ergänzen sich, auch wenn sie aus unterschiedlicher Warte heraus geäußert werden: Für Hervé Barmasse sind die Medien einerseits zwar brauchbare Partner bei Expeditionen. Andererseits dürfe dadurch das Verständnis vom Alpinismus aber auch nicht verstellt werden.Peter Habeler sieht den Umgang mit Medien grundsätzlich verschieden: Bergsteiger hätten in der Vergangenheit keine übertriebene Presse gebracht und würden es auch heute nicht brauchen. Bei vielen Expeditionen würden heute aber zuerst Sponsoren hinzugezogen, die Öffentlichkeit herstellen. Erst dann komme das Bergerlebnis. Dadurch würde man Leistung hochloben, die man noch gar nicht erbracht habe. Alain Robert klettert Hochhäuser ohne Absicherung hinauf. Bei seinem Klettern sind die Medien Teil seines Lebens, teilweise würden Medienspektakel sogar durch PR-Firmen vorbereitet werden.

Ohne Medien seien seine Klettererlebnisse zwar denkbar, blieben aber durch die fehlende finanzielle Absicherung ohne Nachhaltigkeit. Der schottische Kletterer Dave MacLeod warnt dagegen vor einer "Reality Show" des Bergsteigens. "Je mehr Medien es gibt, desto mehr besteht die Gefahr, dass der Berg beschönigt wird", sagt er. Er wende sich trotzdem bewusst an die Öffentlichkeit, da er andere dazu inspirieren möchte, Herausforderungen leichter zu bewältigen.Zudem könne er durch eigene Berichte selbst von seiner Erfahrung sprechen und würde diese Deutung nicht anderen Medienberichten überlassen. Für Mark Inglis ist vor allem der gestiegene Zeitdruck der Journalisten ein Hauptgrund für fehlenden Tiefsinn: Durch die Echtzeit, gerade im Online-Bereich, fehle die nötige Zeit, um die Dinge zu interpretieren und Zusammenhänge zu verstehen.

Reinhold Messner sieht mehrere Schieflagen in der derzeitigen Berichterstattung über Alpinismus. Zum einen hätten viele Sponsoren das Interesse, bei einer Bergtour ihr Firmenlogo zu zeigen. Das Bergsteigen und die letztlich erzählte Geschichte seien jedoch zwei unterschiedliche Aspekte, die oftmals vermischt würden. Messner sieht zudem – anknüpfend an den Impulsvortrag von Hanspeter Eisendle – einen immer stärkeren Verlust in der journalistischen Qualität. Spezialisten für den Bergsport gäbe es immer seltener, die breite Medienwelt habe kaum Ahnung von Themen des Bergsteigens, Journalisten würden ihre Rezipienten dementsprechend schlecht informieren.

Er plädiert dafür, neue Erzählformen zu finden, das große Abenteuer brauche keine Rechtfertigung. Das Twitter-Beispiel verdeutliche einmal mehr, dass Journalisten die Situation falsch eingeschätzt hätten. Und auch der traditionelle Alpinismus finde immer seltener Einklang in die Berichte. Dieses Verständnis bilde jedoch eine wichtige Basis, um die Prozesse im Alpinismus zu verstehen. Messner betont, dass es nicht sein dürfe, dass der Sport den traditionellen Aspekt des Alpinismus ausbeute und zur Seite schiebe.

Anschließend kamen in der Diskussion auch Vertreter von Vereinen und Journalisten zu Wort. Vor allem der Faktor des Unglücks und der Betroffenheit führe besonders in den Boulevardmedien dazu, dass eine einseitige Berichterstattung erfolge. Zudem gehe der allgemeine Trend dahin, dass Medien einen Hype erzeugen möchten und dabei so wenig Risiko wie möglich eingehen möchten. Ein weiterer Grund sei auch, dass die extremen Themen des Alpinismus längst nicht mehr in die Lebenswirklichkeit der breiten Masse passen würden und man somit andere Wege durch Heroisierung suche.

Einstimmige Perspektive einer nachhaltigen Berichterstattung müsse es vor allem sein, wieder tiefsinnige Aktionen und Geschichten schmackhaft zu machen. Ziel müsse es sein, den Berg nicht zum Stadion für Rekorde verkommen zu lassen. Hierbei sind viele Erwartungen der Journalisten durchaus positiv: In Zeiten zunehmender Informationsdichte würden qualitative und tiefsinnige Inhalte trotz steigender Informationsflut mit guter Resonanz rezipiert und geschätzt werden.

Beim Schlussplädoyer fanden Bergsteiger und Journalisten Übereinstimmungen: Es gelte trotz der blinden Flecken, das Beste aus der gegenwärtigen Situation zu machen. Man müsse dabei öffentlich noch stärker um journalistische Qualität streiten. Die Kritikfähigkeit und der Umgang mit Alpinismusthemen dürften Journalisten auch untereinander nicht gleichgültig sein. Zudem wurde sich für eine verstärkte Ethik des Unterlassens ausgesprochen: Journalisten und Bergsteiger sollten gezielt Zeit investieren, um den richtigen Gesprächspartner zu finden, dem sie auch vertrauen können.

Bei der Kommunikation sei vor allem eine persönliche, menschliche Ebene des Vertrauens grundlegend. Außerdem müsse man sich auch dazu trauen, unpassende Gespräche und Interviewanfragen abzulehnen. Das letztendlich bewusste Auseinandersetzen mit Themen der Bergwelt stärke das Fundament der Medienkompetenz und sorge dadurch auch wieder für die Glaubwürdigkeit und das Verständnis für einen Alpinismus, der für alle nachhaltig ist.

Der Kiku. International Mountain Summit wird unterstützt von KIKU, GORE-TEX, MARMOT, BMW, Raiffeisen, Forum und Gemeinde Brixen, Stiftung Südtiroler Sparkasse, Dachmarke Südtirol.

QuelleTimo Gadde (IMS), Foto: Stefania Ventura