Ueli Steck nimmt sich nach den Erlebnissen am Mount Everest eine Auszeit

Die letzten Tage und Wochen waren für Ueli Steck geprägt von einem Wechselbad der Gefühle. Noch immer sitzt der Schock nach den für ihn schwer erklärbaren Ereignissen am Everest tief. Nun will sich der Schweizer eine Auszeit gönnen.

Ueli Steck schreibt:

Ueli Steck"Wie konnte es zu dieser unfassbaren Eskalation kommen? Was war der wirkliche Grund für die immer noch kaum fassbare Aggression, welcher wir ausgesetzt waren? Haben wir Fehler gemacht, und falls ja: welche?

All diese Fragen drehten sich in unseren Köpfen in der Zeit seit dem 28. April fast schon ununterbrochen. Wie auch immer wir es drehen: Erklärungen haben wir bis heute nicht gefunden. Wir wissen zwar genau, was vorgefallen ist – und ich wünsche solche Erlebnisse wirklich niemandem -, die Hintergründe dafür bleiben uns im Wesentlichen jedoch verborgen.

In unzähligen Diskussionen mit Freunden, Fachleuten, Bergspezialisten und Medienvertretern haben wir den Ablauf der Ereignisse nochmals rekonstruiert. Im Rückblick erscheinen uns die Vorkommnisse irreal. Wir können beinahe selbst nicht glauben, dass uns dies alles passiert ist – und dass wir schliesslich diesem Alptraum entrinnen konnten.

Nach all diesem Hinterfragen, Analysieren und Rekonstruieren ist für uns eines klar: Wir werden die Frage nach dem Warum nie erschöpfend beantworten können. Wir werden damit leben müssen, einige Antworten ungeklärt zu lassen. Ueli Steck im Interview (10vor10 SRF)

Dennoch möchte ich allen, die uns in dieser Zeit mit Rat und Tat, mit Hilfestellungen und geduldigem Zuhören, mit Diskutieren und Kritisieren geholfen haben, danken. Ich habe in den letzten Tagen hautnah erlebt, was es heisst, gute Freunde zu haben.

Gleichzeitig möchte ich nicht verhehlen, dass mich diese Ereignisse tief erschüttert haben und ich noch heute – vor allem in langen Nächten – unter den Auswirkungen leide. Mein Innerstes ist tief getroffen.

Aus diesem Grund bitte ich Euch alle um Verständnis, wenn ich nun eine persönliche Auszeit in Anspruch nehmen werde. Meine Kräfte – auch sie sind nicht unerschöpflich! – neigen sich dem Ende zu. Ich benötige eine Zeit der Ruhe, um mich innerlich neu zu orientieren, neue Kraft zu fassen und wieder einen klaren Blick für meine Zukunft zu erhalten.

Wenn ich also in der nächsten Zeit keine Telefone und E-Mails beantworte, so geschieht dies allein aus dem Grund, dass ich eine Pause benötige. Ich bitte alle um Respekt für diesen Umstand. Ein paar wenige Interviews, welche bereits stattgefunden haben, werden in den kommenden Tagen noch erscheinen. Dabei handelt es sich aber ausschliesslich um Vorproduktionen.

Ich habe tolle Freunde und ein gutes Team, die mich auch in dieser Zeit unterstützen. Andreas Bantel, mein Mediensprecher, wird mir in dieser Phase den Rücken stärken und Eure Anfragen gerne beantworten. Bitte habt Verständnis, wenn dies nicht immer im Minuten- oder Sekundentakt geschehen sollte. Die Zahl der Anfragen war in den letzten Tagen enorm – und wir konnten deshalb schlicht nicht alle sofort beantworten.

Bei allen Unwägbarkeiten und offenen Fragen – eines steht für mich unverrückbar fest: Meine Leidenschaft für die Berge ist ungebrochen. Die Ruhe der Natur, die Einfachheit und die Eigenverantwortung haben mich immer fasziniert und werden weiter zentraler Teil meines Lebens bleiben. Was auch immer geschehen mag: Ich bleibe den Bergen zutiefst verbunden. Bergsteigen ist und bleibt ein Teil meiner Persönlichkeit."

QuelleUeli Steck, Foto: Martin Joisten