Die Zustiege zu den spektakulären Kletterlinien führten durch tiefe Moore, steile Grashänge, gruselige Abseilfahrten, kalte Gewässer, hohe Wellen und über zweifelhafte Seilbrücken.
Das erste Ziel der Reise war Aird Uig im Westen der Insel, eine verlassene Militärbasis der Royal Air Force aus dem Kalten Krieg auf Lewis with Harris, die größte der schottischen Inseln. Nachdem wir mit der Fähre übergesetzt waren, ging es über Meilen hinweg einspurig durch die grün-braune Einsamkeit. Bäche, Flüsse und Seen durchzogen die faszinierende Landschaft.
Der raue Atlantik schlug seine Wellen bis zu 15 Meter hoch gegen die schroffen Klippen von Aird Uig und wir konnten uns nicht vorstellen, wo es denn die im Kletterführer gelobten Linien geben soll. Ähnlich den Gebieten, wie der Verdon Schlucht in Südfrankreich hat man von Oben keine gute Einsicht und im Fall der britischen Inseln auch keine Abseilhaken oder ähnliches.
Also das Seil um einen großen Stein gelegt und ab Richtung tosende Gischt. Die ersten Gehversuche waren vielversprechend. Der Gneis ist fest, es gibt genügend Möglichkeiten für die Camelots und die Wellen schlugen nur ab und zu bis an den selbstgewählten Stand. Ein Seelöwe tauchte immer wieder in der Brandung auf und beobachtet verwundert unser Treiben.
Fotostrecke: Scottish Rock mit Thomas Tauporn
Am nächsten Tag soll es nun ernster werden. The Painted Wall, wie der Name schon treffend beschreibt, ist eine ca. 30 Meter steile Klippe mit einer wunderschönen Felszeichnung und die gleichnamige Route das Schmuckstück der Wand. Ein diagonaler Quarzriss im Schwierigkeitsgrad E4 5c. Wir konnten beide die Route im ersten Versuch klettern und fassten Mut für die folgenden Aufgaben. Die Tage auf Lewis with Harris vergehen im Flug und wir werden von Tag zu Tag mutiger und besser vertraut mit der wilden Kletterei über dem oft noch wilderen Meer.
Jeden Tag klettern wir neue Linien von welchen wir der Meinung sind die gehören in unsere persönlichen Top 10 der schönsten Routen. Vor allem die Felsen von Mangersta mit der beeindruckenden 30 Meter hohen Höhle werden uns in guter Erinnerung bleiben. Die meterhohen Wellen spülten uns fast vom Wandfuß und wir ergriffen die Flucht nach oben. Wunderschöne Routen, anspruchsvolle Kletterei und eine Absicherung die die Moral immer wie ein Pendel zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwingen lässt.
Zurück auf dem Festland ging es vom Hafenstädtchen Ullapool direkt ins weiter nördlich gelegene Lochinver um noch am selben Tag den ersten Sea Stack zu klettern, den Old Man of Stoer. Einen 60 Meter hohen, im Meer freistehenden Felsturm, welcher 1966 erstbegangen wurde. Um zum Einstieg zu gelangen muss man zu allererst eine 90 Meter Grasflanke absteigen, dann ein paar Meter durch den Atlantik kraulen und an ein paar Schnüren, Camelots und verrosteten Karabiner eine Seilbahn aufbauen. Shorty hatte am Abend zuvor die Auslosung für das Schwimmen gewonnen und ich glaube er ist heute noch dem Hafenarbeiter von Lochinver dafür dankbar.
Wir standen bestimmt eine halbe Stunde am Einstieg und beobachteten die bis zu 10 Meter hohen Wellen und Gischt, welche um den Sockel des Old Man schlugen. Von einem solchen Monster beim Schwimmen erwischt, endet man leicht als Seelöwenfutter. In einem etwas ruhigeren Moment hieß es dann, raus aus den Klamotten, rein ins 10°C kalte Wasser, raus aus dem Wasser und hinter den Wandsockel Schutz vor der nächsten Welle suchen. Der malerische Sandstein des Old Man of Stoer bot uns eine Genusskletterei vom Feinsten und eine atemraubende Aussicht auf den rauen Atlantik. Was für ein grandioses Stück Fels, Abenteuer und das Highlight unserer Reise nach Schottland.
An unserem letzten Klettertag ging es dann nach Rubha Coigeach und so schwierig wie die Aussprachen dieses Gebiets, gestaltete sich der Zustieg zum selbigen. Laut Kletterführer ein Zustieg von 45 Minuten. Aber dem Umstand geschuldet, dass Schottland einen der nässesten Sommer seit Jahren hatte, brauchten wir eine Stunde länger als beschrieben. Teilweise sanken wir bis zum Oberschenkel ins Moor oder uns wurde der Weg durch einen Bachlauf abgeschnitten. Belohnt wurde der beschwerliche Zustieg durch steile Felsen mit unglaublich schönen Routen und unsere Top 10 bestehen nun fast ausschließlich aus schottischen Routen.
Es gelang uns mehrere Routen im Grad E5 auf den ersten Versuch zu klettern und die Cams wurden mittlerweile wie Bohrhaken wahrgenommen. Als finale Tour kletterten wir die Space Out Rockers on the Road to Oblivion E4 5c, einen 65 Meter langen Quergang an horizontalen Griffen. Was für eine Linie! Was für eine Tour! Im Jahr 2000 das erste Mal frei geklettert, war es genau die richtige Mischung aus Spannung und Genuss, Abenteuer und Sicherheit. Eine grandiose Route zum Abschluss und mit daran schuld, dass der nächste Trip nach Schottland schon in Planung ist.