Interview mit Andreas Bindhammer:

Warum "PuntX"? Was hat dich an dieser Tour so fasziniert?
Als ich vor zwei Jahren nach der erfolgreichen Begehung von "Abysse" das erste Mal in der Route war und mir nicht vorstellen konnte, die Passagen zu klettern und auch noch die Zwischensicherungen einzuhängen und mit total lädierten Fingern abziehen musste, war mir klar, dass ich mich der Herausforderung  zu gegebener Zeit stellen würde. Die Versuche von Alexandre Cabot in der kompromisslosen Linie sahen wirklich spektakulär und ultrahart aus – nachdem er die Route dann vergangenes Jahr knacken konnte, wollte ich einfach wissen, ob ich auch zu so einer Leistung imstande bin… Er hatte nach seiner Begehung keine konkrete Bewertung abgegeben – er sprach nur von seiner deutlich härtesten Route bisher… Durch das boulderlastige Training in dieser Saison hatte ich den Eindruck, dass es nun – mit deutlich mehr Maximalkraft – vielleicht klappen konnte.

Worin liegen die Schwierigkeiten von "PuntX"?
40 Züge ohne Ruhepunkt, von Beginn an volle Konzentration… Um bei jedem Versuch wieder die scharfen Unter-, Seitgriffe und engen Fingerlöcher durchzureißen ist eine kompromisslose Einstellung und eine hohe Schmerztoleranz nötig. – Speziell das V-förmige Einfingerloch kurz vor Ende kann man nur ein- bis zweimal am Tag ertragen. Bei feuchten oder warmen Bedingungen ist dieser Zug fast unmöglich…

Du hast  schon einige schwere Touren in deiner Kletterkarriere hinter dich gebracht. Ist "PuntX" auch Deine härteste Route?
Diese Frage zu beantworten ist nicht leicht, da man keinen direkten Vergleich hat. Die Begehung von "La Rambla" beispielsweise liegt schon 1,5 Jahre zurück. Dieses Jahr sind mir zwei Erstbegehungen gelungen, die beide im Bereich 9a liegen und mir ein Jahr zuvor noch unmöglich erschienen. Bei der Begehung von "PuntX" hatte ich sehr gute Bedingungen, war absolut fokussiert auf die Route. Sie hat einen Charakter, der mir sehr liegt – 40 Züge ohne Pause, kleingriffig und steil… Möglicherweise ist es meine schwerste Route, garantiert aber die schmerzhafteste…

Wie würdest du "PuntX" bewerten? 9a+?
Ich würde mich der Meinung von Alex Chabot anschließen: es handelt sich um die schwerste Route im Deversé und damit dürfte es sich auch um eine 9a+ handeln. Um die Route schaffen zu können erfordert ein deutlich taktischeres Vorgehen als "KinematiX" oder "Abysse", da Versuche nur jeden dritten oder vierten Tag Sinn machen und die Haut die Zeit zur Regeneration benötigt. Täglich Versuche  starten zu wollen führt physisch in eine Sackgasse. Man muss sich also anderweitig für die Route fit halten – bei den beiden anderen hingegen kann man direkt in der Route trainieren.

Wie kann man sich auf so eine Tour vorbereiten? Bist du bei deinem Training sehr diszipliniert oder kletterst du nur nach Lust und Laune?
Mir war klar, dass ich in der Route nur mit einer guten Maximalkraftausdauer Erfolg haben würde. Meine Vorbereitung fand also – wie schon gesagt – ausschließlich beim Bouldern statt. Schwerpunkt waren dabei weite Züge an kleinen Griffen – und das ließ sich in den Boulderprojekten im Allgäu und im Averstal perfekt trainieren. Trotz des reichlich feuchten Sommers gelangen mir dabei Boulder bis 8b+ fb – davon hoffte ich dann bei meinen Routenprojekten im Herbst zu profitieren. Grundsätzlich versuche ich immer zielgerichtet zu trainieren, bin aber recht flexibel, was das Wann und Wo anbelangt. Es gibt keinen vorher festgelegten Trainingsplan – ich mache einfach das Beste aus der momentanen Situation – ohne dabei mein Ziel aus den Augen zu verlieren.

Woran denkst du, wenn Du beim Klettern einer Route die Schlüsselstelle dann endlich mal passiert hast?
Das hängt stark vom Charakter der Route ab – wenn es nach der Schlüsselpassage immer noch anhaltend schwer ist, werden alle Kräfte mobilisiert und man ist voll konzentriert, gibt noch einmal alles. Das geschieht alles intuitiv – zum Nachdenken bleibt da wenig Zeit. Scheitert man dennoch nach der härtesten Passage ist man garantiert physisch und mental so ausgebrannt, dass man am gleichen Tag erst gar keinen Versuch mehr zu starten braucht.

Du bist ja einige Tage vor deinem erfolgreichen Durchstieg am letzten schweren Zug aus der Wand geflogen und um Haaresbreite gescheitert. – Wie schaffst du es, dich nach einem erfolglosen Versuch wieder zu motivieren?
So ein Versuch ist natürlich hart – man ist völlig ausgepowert, körperlich und mental… Aber es ist ein Zeichen, dass es möglich ist. Mit etwas mehr Glück, bei besseren Bedingungen… Dann nicht aufzugeben, weiterhin alles zu geben und in Kauf zu nehmen, bei schlechteren Bedingungen auch wieder deutlich weiter unten zu fallen, ist eine echte Herausforderung, vor allem in Anbetracht der schmerzhaften Griffe. Wenn du an einem Zug immer wieder scheiterst, gibt es dann Momente, in denen du denkst, die Route schaffe ich nie?
Ich versuche die schwersten Züge in einer Route immer innerhalb der Passage zu klettern – starte also vom letzten halbwegs guten Griff aus. Wenn das gelingt, wird auch die Route irgendwann klappen – auch wenn man im Durchstiegsversuch immer am gleichen Zug scheitern sollte. Bisher gab´s aber im Verlauf meiner Versuche zum Glück immer wieder kleine Fortschritte, die mich ermutigten, es wieder zu probieren…

Und ist das dann schnell wieder vorbei oder gibst du ein Projekt schon einmal ganz auf?
Aufgeben gibt´s selten – Ausnahme sind Einzelzüge, die ich mir wegen mangelnder Reichweite nicht vorstellen kann… Oder, wenn die Route wegen dauerhaft schlechter Witterung unter Wasser steht…

Du warst ja schon fast überall. Gibt es noch Routen auf deiner Kletter-Weltkarte, die dich interessieren? Welche Ziele hast du für die Saison 2009?
Es kommen ja ständig neue Herausforderungen hinzu. Meistens mangelt es mir leider an der Zeit, gleich ein neues Projekt in Angriff zu nehmen, aber noch ist die Saison 2008 nicht vorbei und ich habe noch ein paar Ideen. – "Realization" muss aber wohl bis nächstes Jahr warten… Sie wäre eines meiner Ziele für 2009. Und dann gäbe es da noch eine Route, der noch eine erste Begehung fehlt…

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QuelleAndreas Bindhammer, Fotos: Philippe Maurel