Nach einem massiven Föneinbruch, der in den Eisfällen einen mehr oder weniger starken Schaden verursacht hat, wurde es rapide kälter und zwang das Wasser erneut zum Eisaufbau. Binnen einer Woche überdurchschnittlicher Kälte, konnte sich das Gasteinertal wieder als das Eisdorado Mitteleuropas etablieren.
Fotostrecke: Solobegehung Supervisor WI6 270m
Klingende Namen wie Mordor, Supervisor und Rodeo machen jedes Jahr im Eiszirkus die Runde. Um diese Zeit im Jahr, haben Freunde und ich schon einige tausend Eismeter in Armen und Beinen.
Wiederholungen, Erstbegehungen und immer auf der Suche nach einer neuen genialen Linie, die die Willkür des Wassers entstehen lässt. Doch ein Wasserfall ist jede Saison immer wieder in aller Munde:
SUPERVISOR WI6 270m
Eine der ernsthaftesten Routen im Tal, daher nur für echte Könner! Anhaltend schwieriger Wasserfall, der zu den Top-Eisfällen Österreichs gehört. Die schwierigsten Seillängen bestehen meist aus Röhreneis und es bilden sich zumeist auch riesige Eisdächer, die zwar zum Grossteil umgangen werden können, kürzere überhängende Stellen müssen jedoch meist in grosser Ausgesetztheit überwunden werden. Erstbegehung: Josef Steinbacher jun. und Hans Zlöbl am 18.Jänner 1991 in 8 Stunden
(Eiskletterführer Salzburger Land)
Am Vortag zum 12. Januar packte ich in gewohnter Manier die Ausrüstung zusammen und checkte noch einmal den Schliff der Eisen und Hauen. Morgen geht's schon wieder ins Eis, dachte ich bei mir und schnappte mir den Führer um noch etwas durchzublättern. Das Wetter war vielversprechend, und es scheint, als würde es wieder ein glänzender Tag morgen. Der Morgen des 12. Jänners verlief in alltäglicher Routine, aber irgend etwas fühlte sich anders an. Eine melancholische Stimmung kam in mir auf und der Wunsch nach Veränderung. Ich konnte das Gefühl aber nicht richtig zuordnen, denn alles war in bester Ordnung und mein Lebensumfeld gab mir Kraft.
Dennoch griff ich zum Handy und funkte meinen Freund den Zussner Geri an, der wie erwartet schon im Auto auf dem Weg zu mir war. Hey, alter Freund, kannst du bitte noch die Spiegelreflexkamera und ein Jümarset mitnehmen. Zu dieser Zeit konnte ich ihm noch keinen guten Grund für diese Spontanität geben. Er war noch nicht allzuweit, macht kehrt und holte das besprochene Equipment.
Einen Pickelschlag später wuchtete ich meinen Rucksack in den Kofferraum meines Freundes und wir nahmen Kurs auf die Eisarena, eine der wildesten Ecken wo Menschen eisklettern. Es war kalt. Temperaturen um 10 Grad minus.
Nach der klassischen Begrüssung, verlief die Autofahrt ziemlich ruhig. Auf halben Weg überkam mich das Gefühl. Was hältst du davon, wenn ich den Supervisor heute seilfrei mache? In voller Erwartung auf eine einschlägige Diskussion ertönte aber nur ein klares OK. Die ersten Schritte beim Aufstieg fühlten sich gut an und wärmten ein wenig.
Als wir auf die Lichtung kamen, von wo man eine schöne Übersicht über die Eisarena hat, schaute er auf uns herab. Mahnend und doch so schön. Eingebettet in den Hohen Tauern. Der Geri ließ mich ein wenig vorausgehen, um mich mit meinen Gedanken etwas alleine zu lassen. Ich war ruhig und fühlte einen guten Rhythmus. Mit ökonomischen Schritten ging's hinauf zum Einstieg.
Oben angekommen, bereitete sich mein Partner darauf vor, über ein Fixseil aufzusteigen, das von einem Sommerprojekt stammte. Während meiner Vorbereitung, schweiften immer wieder meine Blicke rüber in das Eisschild. Nach einer halben Stunde Vorsprung mit den Jümar, hatte Geri eine gute Höhe erreicht um das Vorhaben zu dokumentieren. Langsam stapfte ich die letzten Meter rauf bis zum Eis, als hätte ich einen Bußgang zu absolvieren.
Die ersten Pickelschläge fühlten sich gut an und die Bewegungen waren rhythmisch. Nach den ersten 80 Metern konnte ich taktisch gesehen das letzte mal ganz gut stehen. Ich nutzte diese Erkenntnis um meine Finger wieder zum Leben zu erwecken um für die nächsten 200 Meter einen guten Grip zu haben.
Jeder der einmal eisklettern war, kennt dieses himmlische Hochgefühl wenn die Finger das erste mal am Tag auftauen.
Also auf geht's! Riesige Eispilze ließen mich sehr umsichtig in die Höhe steigen. Die Eisqualität war gut und meine messerscharfen Beile drangen beruhigend tief in das Gefrorene ein. Endlich konnte ich die unangenehm zu kletternden Eisgebilde hinter mir lassen und erreichte in ca. 180 Metern Höhe die Crux des Wasserfalls. Bevor ich mich auf die fast überhängende Wandzone vorbereiten konnte, bekam ich noch eine richtig feine Eisdusche die mich für einen Augenblick erstarren ließ. Klick, der Geri schiesst eine Serie ab.
OK, alles klar, jetzt nichts wie raus hier. Über mir ragt ein drei Meter Eisdach aus dem Wasserfall, das ich aber rechts umklettern kann. Es ist steil, verdammt steil. Der Blick in die Tiefe, fühlt sich nach Freiheit an. Nach Leben, so echt und ehrlich. Meine Steigeisen bohren sich in das kristallklare Eis. Schlag für Schlag arbeite ich mich empor bis das gefrorene Nass etwas an Steilheit verliert. Die letzten 50 Meter verlangen dann nur noch den fünften Eisgrad.
Am Ausstieg ergattere ich noch die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Es fühlt sich gut an, dass jetzt wieder mehrere Zacken meiner Steigeisen in das Eis greifen. Total durchnässt, stehe ich nun am Ausstieg, die Eisbeile ins Gras gehookt, nehme ich die Glückwünsche meine Freundes wahr. Die Freude währt kurz im hochalpinen Gelände, als ein eiskalter Wind aufkam.
Über den Höhkarsteig gelangten wir zum Einstieg zurück. Meine Bilanz: 19 Jahre nach der Erstbegehung durch Josef Steinbacher jun.und Hans Zlöbl in 8 Stunden, gelang am 12. Jänner die erste Solobegehung des Extremklassikers "SUPERVISOR", handschlaufenlos und ohne Zuhilfenahme technischer Mittel in 1 Stunde und 40 min.
Vielen Dank an meine Familie und meine Freunde. Danke, an meine Freund Zussner Gerald, der einmalige Fotos gemacht hat. Besonderen Dank an meine Sponsoren LOWA UND HAGLÖFS für eine erstklassige Ausrüstung.
"Leben heißt, keine Angst mehr haben zu müssen!"