Bergmedizin Expeditionsmedizin pocket

Das Bergmedizin Expeditionsmedizin pocket ist als ein nützlicher Begleiter für Laien, Bergretter und auch Ärzte gedacht, der medizinisches Wissen leicht verständlich darstellt und den Aufenthalt in den Bergen für alle sicherer machen soll. Es schildert die häufigsten Symptome, die am Berg auftreten können, und gibt diagnostische wie therapeutische Hilfestellungen.

Wie kam es zu der Idee dieses Buches?

Bergmedizin Expeditionsmedizin pocket (c) Börm Bruckmeier Verlag
Bergmedizin Expeditionsmedizin pocket (c) Börm Bruckmeier Verlag

Die Idee zu diesem Büchlein entstand im Rahmen einer Himalaya-Expedition im Khumbu Himal, Nepal. Die Autoren begleiteten mit anderen Wissenschaftlern und 2 Expeditionsärzten 33 Bergsteiger während der Besteigung des Island Peak und einer Trekkingtour zu den Gokyoseen.

Es traten viele verschiedene Symptome auf, sowohl bei den Ärzten, den Probanden aber auch den Sherpas, Trägern und dem Küchenteam.

Durch die limitierenden diagnostischen Möglichkeiten in den Bergen war es jedoch nicht immer einfach die Symptome sicher verschiedenen Ursachen zuzuordnen und die entsprechenden therapeutischen Maßnahmen einzuleiten.

Aus diesem Grund wollten Berend Feddersen und Harald Ausserer ein Buch schreiben, welches in jede Jackentasche passt und für alle, medizinische Laien wie auch Ärzte, leicht verständlich ist.

Das Ziel war und ist es das medizinische Wissen, welches am Berg nötig werden kann, komprimiert und umfassend zugleich, darzustellen.

Welche Themen werden abgedeckt?

  • Es geht los mit den Grundlagen der Anpassungsvorgänge des menschlichen Körper an die Höhe. Es finden sich auch Hinweise wie schnell man wie hoch steigen sollte, damit der Körper sich noch akklimatisieren kann. Dies ist vor allem bei Reisen in große Höhen (Himalaya, Anden) wichtig.
  • Im Kapitel über die verschiedenen Formen der Höhenkrankheit wie akute Bergkrankheit, Höhenlungenödem und Höhenhirnödem wird sowohl auf die Prävention wie auch therapeutische Prinzipien eingegangen. Die gängigen Fragebögen und Scores zur Erkennung der akuten Höhenkrankheit werden detailliert vorgestellt und können direkt angewandt werden.
  • Im 3. Kapitel werden die Empfehlungen bezüglich bestehender Vorerkrankungen besprochen. Wenn ich z.B. an einer Herzschwäche leide dann wäre eine Voraussetzung für leichtes Wandern mit Tagesrucksack auf 1000-2000m Höhe eine Ergometerleistung über 100 Watt.
  • Darauf folgt das sehr umfangreiche Kapitel Erkrankungen / Symptome in der Höhe. Es soll die häufigsten Symptome die am Berg auftreten können beinhalten und diagnostische wie auch therapeutische Hilfestellungen geben. Hier haben die Autoren wirklich versucht alles was an Symptomen kommen könnte vorausschauend abzudecken. Besonders gelungen sind die sehr praxisrelevanten Tipps, wie z.B. bei Durchfall. Es kann dem Verlust von Elektrolyten und Flüssigkeit entgegengewirkt werden indem man eine Lösung herstellt und zuführt bestehend aus: 1 Tasse gepresster Orangensaft (oder Tee) + 4 Teelöffel Zucker + 1 Teelöffel Backpulver + 3/4 Teelöffel Salz +  1 Liter gekochtes Wasser.
  • Kindern in der Höhe ist ein extra-Kapitel gewidmet um den spezifischen Problemen besser gerecht zu werden.
  • Da Schmerz ein sehr beeinträchtigendes Symptom ist, werden im Kapitel 6 die Grundsätze und unterschiedlichen Therapiestrategien je nach Schmerzart und klinischem Symptom aufgeführt.
  • Die Verbände sind ein absolutes Highlight auch wenn man gerade nur 300m über dem Meeresboden ist und sich den Fuß verstaucht hat. Klare anschaulich bebilderte Anleitung wie man alle möglichen Gelenke mit einem Tapeverband stabilisieren und Ruhigstellen kann.
  • Auch im Kapitel 8, zum Thema Lawinenkunde, findet sich eine komplette Darstellung der Thematik. Allein die Optionen wie die Hangneigung bestimmt werden kann ist nicht nur umfassend sondern auch kreativ-pragmatisch, dass man z.B. die kartonierte Rückseite des Buches an die Höhenlinien einer Karte legen kann um dann die Hangneigung direkt abzulesen, oder man sich anhand der Stocktechnik je nach Kreuzungspunkt der horizontal und vertikal gehaltenen Skistöcke behilft, ist extrem nützlich.
  • Die Notfallsituation mit Auffrischung der Grundlagen der Herz-Lungen-Wiederbelebung oder stabile Seitenlage ist durch die klare Bebilderung sehr gut nachvollziehbar. Den Abschnitt über die Zeichen wie korrekt ein Hubschrauber eingewiesen werden kann wird man in der Praxis hoffentlich selten einsetzen müssen, lässt in der Theorie sicher jedoch nicht nur „Jungenherzen“ höher schlagen.
  • Beim Kapitel Knoten und Bergtechniken bleiben keine Wünsche offen. Vom Anseilknoten bis zur sehr komplexen Knotentechnik bei der Spaltensturzbergung mittels Seilrolle ist alles nach den Neuesten Standards und Richtlinien dabei! Man wird nicht anfangen über die Spaltenbergung zu lesen oder zu üben wenn das Unglück geschehen ist. Das Wissen muss zuvor da sein. Aber am Abend vor der Gletscherüberquerung nochmal einzelne Punkte zu besprechen bzw nachzuvollziehen ist unglaublich hilfreich, wertvoll und gibt viel Sicherheit.
  • Im 11. Kapitel wird einem nicht nur eine Option einer modular aufgebauten Notfallapotheke für Alpinisten, Bergführer und Ärzte vorgestellt sondern auch alle bisher im Buch vorkommenden Medikamente im Detail mit Dosis, Maximaldosis, Wirkung, Nebenwirkung und Kontraindikationen zusammengefasst.
  • Die Anatomische Zeichnungen aus Kapitel 12 und in Kapitel 13 die Übersetzung der wichtigsten Begriffe auf Englisch, Spanisch, Chinesisch, Nepali und Tibetisch sind gerade für internationale Expeditionen hilfreich. Schön, dass sowohl die Schriftzeichen wie auch die lateinische Umschrift Platz gefunden haben, so wird das Üben und Lernen sicher manchen Abend auf der Lodge verkürzen.
  • Zum Abschluss gibt es eine Fülle an nützlichen Links und Telefonnummern um die Lawinenwarnungen und Hilfsdienste aus allen bergrelevanten europäischen und internationalen Ländern immer parat zu haben.

Ein Buch nur für Mediziner?

Auf keinen Fall! Ein gelungenes Konzept einen „Ratgeber“ für jedermann zu schreiben, ohne dass dabei das medizinische Fachwissen auf der Strecke bleibt. Einige Hinweiskästen oder Abschnitte sind mit einem kleinen roten Kreuz gekennzeichnet, als Hinweis dass der Inhalt eher für Ärzte gedacht ist. Viele lateinischen Fachausdrücke sind übersetzt und der Fachterminus in Klammer gesetzt. Es wird nicht jeder alles brauchen, aber falls doch ist zumindest alles da.

Warum ist das Buch outdoortauglich?

Auch hier ist eine extrem pragmatische praxistaugliche Umsetzung gelungen, das Format heißt nicht nur pocket sondern ist auch für die pocket und passt rein. Die Ecken von vornerein abgerundet damit es keine Eselsohren gibt. Durch den Speziallackauftrag des Covers vorne und hinten spritzwassergeschützt, man kann es auch mal kurz ins nasse Gras oder Schnee legen um es dann wieder trockenzuwischen. Das stärkere Papier erhöht die Reißfestigkeit.

Durch die superpraktische Ringbindung bleibt es bequem im Gelände liegen und man kann beidhändig sich mit dem Patienten beschäftigen, in dieser Situation immer wieder das Buch aufschlagen zu müssen wäre mehr als nervig. Die App ist in Arbeit, aber so „old school“ macht es richtig Spaß autark und akkuunabhängig dieses geballte Wissen im Rucksack zu haben. Trotz der 292 Seiten und der Fülle an Informationen ist durch die gute Aufteilung und optimierte Schriftgröße das Packmaß mit 9,5cm auf 12,5cm klein und handlich, sowie mit dem Gewicht von ca 280g auch „mitnehmbar“.

Profitieren auch die Sherpas, Träger und Küchencrew vor Ort bei internationalen Expeditionen?

Unbedingt: Durch die anatomischen Zeichnungen und den Übersetzungsteil wird sich die Kommunikation auf jeder Reise deutlich erhöhen, egal ob gesund oder krank.

Fazit:

Ein absoluter Geniestreich, quasi ein medizinisches Allzweck-Taschenmesser. Reinhold Messner hat recht, das gehört wirklich in jeden Rucksack, egal ob Sommer oder Winter, Hügel um die Haustür oder 8000er.

Für 18,99 € ein wahres Schnäppchen.

www.media4u.com/de/

QuelleBerend Feddersen, Harald Ausserer, Foto: Börm Bruckmeier Verlag