Michael Lerjen-Demjen und Jorge Ackermann: Winterbesteigung in Patagonien 2012

Der Bericht von Michi Lerjen:

Am 14. Juni erreichten wir das etwas andere El Chalten, es waren kaum Leute anzutreffen was genau unserem Geschmack entsprach, denn wir suchten ein Abenteuer! In mehreren Anläufen versuchten wir Material zum Passo Superior zu shutteln und mit viel Glück konnten wir an einem Tag 30 Kilo hoch bringen.

Fotostrecke: Michael Lerjen-Demjen und Jorge Ackermann in Patagonien

Allein der Aufstieg zum Superior war eine Tour für sich, durch große Schneemassen war es alles andere als ein Spaziergang. Dafür wurden wir aber mit einer der besten Abfahrten belohnt! Einfach genial, keine Leute und 1 Meter Powdersnow! Doch im Winter ist eben alles ein bisschen anders!

Nach getaner Arbeit waren wir nun bereit, in unsere Route einzusteigen. Vor uns war in dieser Wand noch nie jemand im Winter gewesen und so waren die Locals etwas erstaunt als wir sagten wo es hingehen sollte.Nach ein paar Tagen kam ein Wetterfenster und so starteten wir am 30. Juni Richtung Rio Blanco, wo wir eine windige kurze Nacht hinter uns brachten. Am frühen Morgen gingen wir im Licht der Stirnlampen Richtung Superior los. Der Wind der vergangen Tage hatte den Schnee ziemlich ausgeblasen und so waren wir schneller als erwartet im Passo.

Nach einer kurzen Pause begannen wir Material zu sortieren und das Essen zu rationieren. Mit schwer beladenen Haulbags ging es zum Wandfuss. An diesem Deponierten wir unsere Ski und stiegen die ersten 4 Mix-Längen in gutem Tempo hoch bis wir unter der überhängenden Hauptwand unsere erste Nacht verbrachten. Es war gar nicht so einfach das Portaledge, unser Hotel, ein Single One mit einem Zelt drauf, zu befestigen da wir komplett auf Bohrhaken verzichteten, ja nicht mal ein Boltkit mitnahmen. Nach einigen Manövern stand unser Hotel, wir konnten uns nach 14 Stunden der Müdigkeit hingeben und schlafen.

Am nächsten Tag stiegen wir weiter, in harter Aid Kletterei, welche erschwert durch vereiste Risse zeit- und nervenaufreibend war und so konnten wir nur drei Längen in 10 Stunden klettern, was einen Durchschnitt von drei Stunden pro Länge ergibt. Doch unser Optimismus war immer noch voll vorhanden und so richteten wir unsere zweite Nacht im Portaledge ein, nach 30 Metern abseilen, hochjumaren, Wasser kochen und essen fanden wir erneut nach 13 Stunden unseren Schlaf! Doch bevor die Augen zufielen setzten wir uns ein Ziel, am nächsten Tag sollten es zumindest 8 Längen sein!

Voller Energie starteten wir sehr früh in den neuen Tag, den dritten in der Wand. Alles wieder zusammen packen und weiter! Doch auch an diesem Tag waren die Längen sehr, sehr schwer und zeitraubend. An Copperheads, Birtpeaks und Rurps, zwei Pendelquergängen, gelangten wir in drei weiteren Seillängen zum Ledge of Hope, benannt nach der Hoffnung einfacheres Terrain zu finden Doch leider tauften wir den kommenden Teil Mordor, es sah immer noch schwer aus! Wir wussten nun, dass wir mindestens noch drei Tage brauchen würden, um hoch zu kommen und einen für runter. Doch wir hatten das Wetter im Kopf und wussten, dass morgen kein guter Tag sein würde. Danach würden uns dann nur noch zwei Tage bleiben, bevor der große Sturm käme.

Nichts desto trotz richteten wir uns für unsere dritte Nacht ein! Nach getaner Arbeit riefen wir Rolando Garibotti an und seine Antwort war klar:” Bewegt eure Ärsche aus der Wand, morgen wird's nicht lustig. Um 10 Uhr Wind bis 14 Uhr, dann 36 Stunden Wind. Wenn ihr kein gutes Ledge habt (wir hingen im Portaledge mit einem Zelt drauf), seilt ab, im Sommer würde ich runter, im Winter wäre ich schon unten!”Hm schade, schade, aber es war trotzdem genial und wir genossen unsere letzte Nacht in der Vertikalen in vollen Zügen: Bouillon, ein guter Schluck Isostar und zum Hauptgang halb gekochte Polenta. Und das Ganze mit einer großen Prise Humor, einfach genial! So ging auch dieser Tag nach 14 Stunden zu Ende.

Durch die Warnung von Rolo starteten wir erneut früh, packten unsere Sachen und begannen mit dem Abseilen. Der Wind war zu hören und sogleich begann es auch zu schneien. Es begann leicht zu kribbeln, denn hier war kein Platz, um in einen Sturm zu gelangen. Wir wussten, jede Abseilstelle müsste angependelt werden und das würde bei zu starkem Wind mit Haulbag und Portaledge sicher nicht lustig werden! Und doch lief es fast reibungslos, nur einmal blieb das Seil am Stand, der Knoten hatte sich verhängt. Doch sonst lief es, trotz Schneefall und Lawinen rund um uns! Wir seilten die komplette Route an, keilten ab und erreichten erleichtert den Bergschrund. Das Wetter unten war ok und wir konnten sicher zurück zum Superior!

Wir schauten beide noch mal zurück und hatten ein Lächeln auf den Lippen! Nicht eine Sekunde haderten wir, es war genial, in dieser Wand, alleine, im Winter. Wir haben alles gegeben und es genossen, bis die Natur uns die Grenze gesetzt hat. Es war mein bestes Erlebnis in den Bergen und für mich war es, was ich suchte, die Ruhe, das was 70 Jahre vor uns Bergsteiger erlebt haben! Ich war glücklich und Jorge auch, wir waren ein Team, das, trotzdem wir das Ziel nicht erreicht haben, eine Zufriedenheit verspürte, welche mir kein Gipfel zuvor geben konnte. Es war pure Leidenschaft draußen zu sein, in der Natur, in den Bergen! Wir hätten in dieser Zeit viele normale Routen klettern können, doch wir entschieden uns für ein Abenteuer und es hat sich gelohnt!

Zurück im Superior checkten wir unser Essen, welches alles andere als rosig aussah. Da war nicht mehr viel. Wir mussten also morgen wieder los, wenn wir noch etwas klettern wollten. Doch nach vier langen Tagen in der Wand waren wir alles andere als fit! Da wir außerdem nicht allzu viel Material hatten für normale Routen, wie zwei Paar Eispickel oder nur drei Eischrauben, entschieden wir uns, wenn der Wind nicht zu stark sein würde, die Aguilla Guillaumet zu machen! Wir aßen unseren letzten Proviant und schliefen nach erneut 12 Stunden ein!

Am nächsten Tag standen wir um 10 Uhr auf und es war einfach nur wunderschön. Trotz großer Müdigkeit waren wir voll motiviert und starteten um 11 Uhr vom Passo zur Guillaumet. Nach 2 Stunden 50 Minuten standen wir auf dem Gipfel! Wir waren so happy – die Route ist alles andere als eine Wanderung, in den Alpen ist es eine eigenständige große Tour, doch wir waren nach vier Tagen immer noch fit und konnten die Tour richtig genießen, kein Haulbag, einfach leicht und locker! Während im Sommer viele Leute an diesem Berg sind, so waren wir wieder alleine, keine Spuren, kein Mensch – einfach genial. So genossen wir den Gipfel und das wunderschöne Panorama und machten uns an den Abstieg!

Um 16 Uhr waren wir wieder im Passo Superior, hier packten wir unser Material und luden die schweren Haulbags auf unsere Rücken, jeder um die 35 Kilo. Was beim letzten Mal ein Genuss war, stellte dieses Mal eine richtige Herausforderung dar! Müde erreichten wir das Camp Rio Blanco und plötzlich hörten wir Stimmen, was nach 6 Tagen in den Bergen zuerst angsteinflößend war, sich dann aber als Rettung herausstellte, denn es war Leo ein Local Guide, welcher uns mit Empanadas und Facturas entgegeneilte – wir waren so erleichtert.

So konnten wir unsere Säcke umpacken und mit etwas leichterem Gepäck die letzten Meter in Angriff nehmen! Um 22 Uhr erreichten wir Chalten, erneute 12 Stunden, aber großartige! Wir gönnten uns mehrere Bier und eine Pizza – was für eine Wohltat. Jeder wollte wissen wie es war und das Fazit, das alle zogen, war loco, loco – verrückt, verrückt.

Mit einem Schmunzeln fielen wir in einen tiefen Schlaf und waren einfach nur glücklich! Wir kommen wieder, keine Frage und werden diese Route zu Ende bringen, aber mein Fazit ist klar: Das war die beste Expedition, die ich je hatte – Team, Berg Erlebnis, eine unschlagbare Kombination!

Facts:

Team:
Jorge Ackermann, Bariloche, Argentinien, 25 Jahre alt
Michael Lerjen-Demjen, Zermatt, Schweiz, 26 Jahre alt

Route:
Fitz Roy: 10 Seillängen, AI3, M4-5, A3-A4?
Aguilla Guillaumet: 300 Meter, 5, 60°
Zeit: 30. Juni – 4. August 2012
Stil: Alpinstil, ohne Haken und Fixseile, Einfach- und Halbseil für Fitz Roy

QuelleMichael Lerjen-Demjen