
28 neue SeillĂ€ngen, die zusammen mit den abschlieĂenden 6 SeillĂ€ngen der Ferrari Route (Casimiro Ferrari und Vittorio Mele, 1976) im Alpin Stil erschlossen wurden, zwei Biwaks und kein einziger Bohrhaken. Herausgekommen ist ein "mar de suenos" (Meer der TrĂ€ume) oder in anderen Worten eine bedeutende neue Route, die den Start in die neue Saison in Patagonien einleitet.
Fotostrecke: Michael Lerjen und Jorge Ackermann am Fitz Roy
Nachfolgend der Bericht von Michi Lerjen:
Un mar de suenos! Ein Meer der TrÀume!
Im Leben gibt es nur wenige Momente, in denen alles stimmt, in denen du alles geben kannst und alles auf deiner Seite ist, in denen du groĂes Leisten kannst und deinen Traum erfĂŒllst! Mit dieser Route ist uns dies gelungen! Wir haben alles gegeben und ein bisschen mehr, haben versucht und sind gescheitert, haben gelernt und sind weitergekommen, haben aber dabei nie unsere Ethik vergessen!
Wir haben unsere Angst ĂŒberwunden und an uns geglaubt, haben als Team harmoniert und uns geholfen, haben gekĂ€mpft und gelacht, gefroren und geschwitzt! Haben den Sommer und Winter erlebt, habe jede freie Minute in diese Linie gesteckt! Un mar de suenos – ein Meer der TrĂ€ume – ein perfekter Name fĂŒr einen groĂen Traum, welcher in ErfĂŒllung ging. Ein Meer aus Fels, in dem wir unseren Weg fanden und ein Traum, der uns vorantrieb!
Als wir auf dem Gipfel standen und uns die TrĂ€nen liefen, standen keine Zuschauer auf, keine Kamera war da, nur unser Team – 2 Jungs, die alles gegeben haben! Doch auch hier unterscheidet sich unser Sport doch so sehr von anderen, denn auch hier bleibt keine Zeit zum GenieĂen, denn es ist erst der halbe Weg, der halbe Erfolg, nur ein Moment, der sofort der Konzentration Platz macht! Der Abstieg fĂŒhrte ĂŒber eine nie wiederholte Route, kostete erneut Energie. Und wenn du nach 24 Stunden am StĂŒck endlich unten angekommen bist, geht der nĂ€chste Gedanke schon in Richtung Material packen und Absteigen. Ist auch dies geschafft, lĂ€ufst du noch 4 Stunden raus und dann endlich bist du zurĂŒck in der Zivilisation, doch du bist zu mĂŒde zum Feiern, denn du bist seit 36 Stunden unterwegs!
Und doch ist es genau das was den Alpinismus so einzigartig macht, so faszinierend, so unglaublich ehrlich! Dies alles sei vorab gesagt, denn es gehört genauso dazu wie die Schwierigkeiten, welche die Tour bietet!
Als wir unseren Trip in diese Wand unternahmen, wussten wir, dass es der letzte sein wĂŒrde und leider fing das Ganze nicht so toll an! Wir erreichten den Passo Superior, dort hatten wir unsere Seile im Winter deponiert, doch leider waren diese verschwunden, dazu der Hammer und die dringend benötigten Haken. Und auch die Route war weiĂ wie Schnee, so wich die Motivation einer Verzweiflung und wir stiegen ab! Schon mit dem Gedanken spielend, dass wir das nun sein lassen wĂŒrden, rissen wir uns ein letztes Mal zusammen!
Am Dienstag den 13. November machten wir uns auf den Weg zum Superior, unsere letzte Chance fĂŒr dieses Jahr und wenn es diesmal nicht klapp wĂŒrde, so sollte es einfach nicht sein! Wir erreichten erneut den Superior und schliefen den halben Tag, wir waren ruhig und gefasst, jeder mit seinen Gedanken! Als am 14.November der Wecker um 3.00 Uhr los ging, ging alles leicht, wir konnten den unteren Teil trotz schwieriger Stellen zĂŒgig hinter uns bringen und waren eine halbe Stunde frĂŒher am Einstieg der schweren LĂ€ngen als geplant! Das Momentum war auf unserer Seite und alles lief wie von alleine.
Die Schwierigkeiten waren hoch, doch diesmal lief es und wir erreichten das Ledge of Hope nach 12 Stunden Kletterei. Der Unterschied zum Winter war enorm und wir konnten auch mal ein paar ZĂŒge frei klettern! Es sei dazu gesagt, dass es geschneit und gewindet hat, kein anderes Team ist an dem Tag geklettert und an keiner anderen Route wĂ€re es möglich gewesen. Der Wind blies mit ĂŒber 100 Kilometer die Stunde ĂŒber unseren Köpfen, doch bei uns war es zwar kalt, aber windstill! Auf dem schmalen Ledge richteten wir uns ein und schliefen halb im Klettergurt hĂ€ngend um 10 ein.
Am 15. November ging es erneut frĂŒh los und wir starteten um 8.00 Uhr in den Tag, von nun an hieĂ es neues Land zu betreten und es war alles andere als leicht! Durch schwieriges Aiden und einen Pendel konnten wir uns mĂŒhsam weiter hocharbeiten und siehe da, obwohl es sehr sehr steil blieb kamen wir nun besser voran. Um 10.00 erreichten wir unser zweites Biwak und als wir um 01.00 Uhr einschliefen, lag ein Hauch von Euphorie in der Luft! Doch wir wussten auch, dass es ein langer Weg hoch war und ein noch lĂ€ngerer runter. Und die Wetteraussichten fĂŒr den 17. November waren nicht top.
So starteten wir am dritten Tag, dem 16. November, bereits um 6 Uhr. Das GelĂ€nde legte sich ein bisschen und wir konnten rasch Meter machen, nach einigen SeillĂ€ngen fanden wir die Ferrari Route und sie schien der einzige logische Weg. Genau hier machten wir unseren einzigen Fehler, wir unterschĂ€tzen die letzten Meter! Wir lieĂen alles zurĂŒck und entschieden uns ĂŒber die Ferrari Route abzuseilen, wohl wissend, dass diese Route keine Wiederholung hat! So stiegen wir mit dem Minimum an Material los, doch wie sich herausstellte waren die nĂ€chsten LĂ€ngen alles andere als leicht. Die einzigen 6 LĂ€ngen in der ganzen Route, die je zuvor ein Mensch geklettert hatte und nie wiederholt wurden, forderten nochmal alles von uns!
In der 6. LĂ€nge zog die Ferrari nach rechts weiter und wir nahmen das Risiko in Kauf ĂŒber dĂŒnnes Eis und einige heikle Mix Passagen links unsere Route fortzusetzten, und dies wurde belohnt. Am 16. November 2012 um 17.30 standen Lerjen Michale und Jorge Ackermann auf dem Gipfel des Fitz Roy. Nach kurzer Rast ging es direkt ans Abseilen! Die Ferrari ist das komplette Gegenteil unserer Route, ĂŒberall waren alte Seile, Haken etc. zu finden, doch wir wollen nicht klagen, denn so konnten wir uns zumindest orientieren! Jeder Stand wurde von uns eigenhĂ€ndig angebracht, dazu nutzten wir alte Seile und Haken, um nach 40 Mal Abseilen den sicheren Boden zu erreichen! Die Zeit verging wie im Flug und so erreichten wir nach genau 24 Stunden am 17. November um 6.00 Uhr unsere Stöcke am Einstieg!
Wir hatten 28 neue SeillĂ€ngen geklettert, bei 6 LĂ€ngen die erste Wiederholung gemacht, waren das erste Team, welches eine neue Route an der Ostseite des Fitz Roy im reinen Alpin Stil geklettert ist, ohne einen einzigen Bohrhacken zu setzten! Wir hinterlieĂen unseren Traum! Eine Route, in welcher im unteren Teil 8 StĂ€nde mit Stoppern zu finden sind und im oberen Teil 3 Stopper fĂŒr die PendelquergĂ€nge! Wir hinterlieĂen keine Spuren und das war unser Ziel, eine Route im puren Stil, sauber und schön!
ZurĂŒck im Superior packten wir unser Zeug und erreichten nach 32 Stunden Chalten!!!!
Infos:
- Die Route wurde im Alpin Stil geklettert. Trotz mehrerer Versuche ist kein Haken oder Stopper bei den frĂŒheren Versuchen zurĂŒck gelassen worden. Jeder Versuch fand von neuem statt und bot die gleichen Bedingungen wie das erste Mal.
- Kein einziger Bohrhaken wurde gesetzt
- Die Route wurde abwechselnd gefĂŒhrt
- LÀnge: ca. 1200 Meter (evtl. etwas lÀnger), 34 SeillÀngen
- Schwierigkeiten: 7a, A3, M4 Runnout
- Zeitraum fĂŒr die Route: 14.-17. November 2012
- Team:
Jorge Ackermann 26, Bariloche, Argentinien
Michi Lerjen, 27, Zermatt, Schweiz